Vortrag: „Nur durch Frieden bewahren wir uns selber“ von Eugen Drewermann

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Eugen Drewermann, Theologe, Psychoanalytiker und Schriftsteller, hielt am 12.03.2024 in Mainz-Kostheim einen bemerkenswerten Vortrag über „Frieden“. Mit fast 83 Jahren schafft Drewermann eine kognitive Meisterleistung. Spricht frei, druckreif, emphatisch und auch sehr persönlich. Gerne bringen wir seine Rede (ohne „Gewähr und Gewehr“) als Transkription in Umlauf. Auf das seine Worte gehört, gelesen, verstanden und gefühlt werden können. Und der Frieden endlich beginnen kann. Bei jedem von uns. 🕊🕊🕊

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Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens,

so darf ich Sie anreden, weil sie heute Abend nicht hier wären, träfe diese Anrede auf Sie nicht zu. Es kostet in unseren Tagen Mut, auch nur entfernt daran zu denken, aus prinzipiellen Gründen gegen Krieg und Kriegsvorbereitung zu sein. Ist es möglich, dass man es dem Papst in Rom übelnimmt, weil er statt des Mordens jeden Tag in der Ukraine vorschlägt, endlich miteinander zu verhandeln, statt des Siegfriedens ein Frieden der Menschlichkeit: „So hat er nicht zu reden“. Kaum ein Bischof, der ihm beipflichtet, aus Angst vor der „öffentlichen Meinung“. Dabei sagt der Papst nur das Selbstverständliche, was er Ostern vor einem Jahr bereits gesagt hat. Jetzt gehen sie wieder hin und ermorden ihre Brüder. Genau das ist Krieg: ein permanenter Brudermord in unerhörten Quanten. Leo Tolstoi in „Krieg und Frieden“ konnte das beschreiben.

Was ist nur los in Menschen, wenn sie zu Tausenden mit gesenkten Bajonetten aufeinander losstürmen, um wechselseitig so viel wie möglich auf der Gegenseite umzubringen? Sind das noch Menschen? Was hat das zu tun mit dem großen Himmel, der sich über alle wölbt? Darf man so noch Fragen? Scheinbar nicht.

Am 28. August vergangenen Jahres: Kanzler Scholz hält eine Rede auf dem Marienplatz in München, als ein paar Leute mit Friedenstaubenzeichen in den Händen ihn darauf aufmerksam machen, dass sie seine „Zeitenwende“ kritisch betrachten, weil sie nur mit aller Konsequenz politisch und wirtschaftlich und sozial Krieg vorbereitet und da hineinlenkt. Die fährt er an: „Das sind vielleicht gefallene Engel aus der Hölle“, weil sie „dem Kriegstreiber Putin das Wort reden“. Herr Scholz: der Krieg, den sie meinen und den wir nicht wollen ist die Hölle auf Erden!

Und diese Rede heute Abend halte ich zu ihnen, weil ich glaube, dass die Friedensengel über den Fluren von Bethlehem bei der Geburt Jesu nicht aus der Hölle kamen, sondern die Hölle, die Sie vorbereiten, vermeiden wollten: mit der Botschaft „Herrlichkeit ist Gott im Himmel allein, wenn Frieden ist unter den Menschen“. Und die Bedingung deren Güte glauben können, alles, was die Bergpredigt zu sagen hat, wäre die wahre Zeitenwende. Wir müssten sie nur verstehen. Und setzen wir es einander gegenüber, wenn wir betrachten, was Krieg ist: kann uns die menschliche Geschichte nur wie eine endlose Kette des Grauens vorkommen. Eine Innenaufnahme aus einem Wahnsinnszustand, den wir inzwischen gewohnt sind, als Normalität zu betrachten.

Jimmy Carter, Ex-Präsident der USA, konnte 2015 in einer Predigt erklären, dass wir, die Amerikaner, die aggressivste Nation der Weltgeschichte und der Menschheit sind: in den 242 Jahren unseres Bestehens hat es keine 16 Jahre gegeben ohne Krieg. Und scheinbar soll das so weiter gehen, vor allem ohne Skrupel.

Nehmen wir eine Momentaufnahme: Juli 1943, Hamburg: Admiral Harris hat das Jüngste Gericht, die „Operation Gomorra“ über die Hansestadt beschlossen. „Around the clock bombing“! Man hat das geübt, wie man mit Sprengbomben die Häuserschneisen aufbricht, um dann mit Brandbomben einen Feuersturm zu entzünden, indem die Gluthitze selber den Sauerstoff ansaugt, indem sie selber sich aufheizt und erneuert. Die Menschen in den Bunkern werden ersticken! In einer Nacht in Hamburg 40.000 Tote! Das muss man bejubeln, denn nur so kann man siegen. So ist Krieg. So muss man ihn machen. Das ist die Pflicht eines Luftwaffenadmirals.

Oder man versucht ein Mensch zu bleiben. Harold Nash zum Beispiel: einer der Piloten der Royal Airforce. „Wir sahen es unter uns liegen, wie ein dunkles Band aus Samt, bestickt mit Perlen. Und wir wussten, dass das, was wir da unten anrichten, schlimmer ist als das Inferno. Aber wir sahen ja nur Brände, wir sahen keine Menschen, sonst hätten wir das nicht tun können.

Genau das ist die Frage: wie können Menschen das tun, was wir „Krieg“ nennen. Und wie können Politiker Menschen dahin bringen, dass sie „kriegsertüchtigt“ werden? Herr Pistorius: sie waren Bürgermeister mal in Osnabrück: da gibt's ein Museum für Erich Maria Remarque. In dessen Roman „Im Westen nichts Neues“ können Sie lesen, was passiert, wenn ein Mensch einen anderen sieht. Ein Deutscher in einem Granatrichter an der Seite eines Franzosen, dem man den Unterleib aufgeschnitten hat und der dabei ist, sich zu verröcheln. Bäumer kann das kaum ertragen. Der Franzmann neben ihm ist ein Mensch wie er. Er hat Frau und Kinder. Er hat einen normalen Beruf in einer Druckerei. Ich werde, sagt Bäumer nach dem Krieg, Drucker werden! So eng wird die Verbundenheit. Sieht man dem Menschen ins Auge, kann man ihn nicht mehr töten, scheint alles das, was es ist im Krieg, als ein heller Wahnsinn, der dressiert instrumentalisiert wird, in einer endlosen Barbarei, die sich ständig steigern soll.

Brandbomben waren nicht genug. Die Chemiker waren fleißig. Naphthalin und Palmitin zusammengerührt, ergibt Napalm. 1.300°C klebriger Masse, die in den Körper sich hineinfrisst. Curtis E. LeMay befahl das Programm im Krieg gegen Japan in großem Stile anzuwenden. Man kann es nicht zählen: Tokyo, die Bambushäuserreihen: 80.000 Tote oder 120.000 Tote, kommt es darauf noch an? Abgefackelt. Schlimmer als jeder Hexenprozess. Man fragt ihn, was er sich dabei gedacht hat. Zivilisten sind das. Und das, was er tut, sind das nicht Kriegsverbrechen? Seine Antwort ist bemerkenswert. Und wir müssten ihnen sagen, und allen die uns regieren und wollen, dass wir kriegsertüchtigt werden. LeMay sagte: „Ehrlich, es gibt keine Verbrechen im Krieg - der Krieg selber ist das Verbrechen.“ Und wer die Verbrechen vermeiden will, kann niemals im Krieg als Sieger vom Schlachtfeld gehen, denn dann ist er schwächer als der Gegner.

Krieg besteht darin, größtmöglichen Schaden zuzufügen. Tote maximal zu erzeugen. Unmenschlichkeit zu produzieren, ohne jede Rücksicht. Nur so skrupellos über Leichen hinweg kann man Krieg machen und Kriege gewinnen. Die Erkenntnis ist nicht gerade neu. Nur dass ein Amerikaner sie so klar ausspricht, ist nicht ganz gewöhnlich.

Im Krieg gibt jeder der Kombattanten dem anderen das Gesetz des Handelns vor“, konnte der Preuße Klauswitz vor 200 Jahren sagen. Und es gibt keinen Sinn drin, nur die permanente Steigerung, wie wir sie gerade miterleben: Die Taurusrakete, 500 km Entfernung, zielgenau kann sie bomben, sechs Betonlagen zerfetzen. Das braucht die Ukraine. Endlose Debatte, neue Steigerung, deutsche Beteiligung. So ist Krieg, wenn wir ihn haben und deshalb müssen wir ihn ablehnen, und die Gründe begreifen, weswegen er geführt wird.

Wie denn kommt es zu der Entsetzlichkeit der Instrumente des Mordens, die wir Waffen nennen und in großem Umfang: bei Reinmetall & Kraus Maffei für Millionen in Auftrag geben. Was sind das für Techniker, die mit allen naturwissenschaftlichen Mitteln, die sie kennen, immer noch effizientere Geräte zum Umbringen von Menschen konstruieren? Was steckt dahinter?

Ein Wahnsinn ist die menschliche Angst. Tiere würden keine Kriege führen, wir Menschen aber ja. Wir sind womöglich die einzige Spezies auf diesem Planeten, die gelernt hat, dass ein besiegter Feind, wenn er noch lebt, über die Gründe seiner Niederlage nachdenken wird. Also: dass er gefährlicher zurückzukommen droht, als er bei der Niederlage uns verlassen hat. Es mag dahin geführt haben, dass wir die einzige Spezie auf diesem Globus sind, die gelernt hat, das Töten von Menschen eine endgültige Lösung der Feindseligkeit bedeuten kann. „Nur tote Indianer sind gute Indianer.“ „Nur tote Russen, sind gute Russen.“ Selenskyj, Weihnachten letzten Jahres in Washington: Triumphal, wir haben schon 80.000 Russen getötet! Neue Meldung, vor ein paar Tagen: 180.000 Russen haben wir getötet, das ist zu wenig, wir haben nicht genug Sprenggranaten, wir haben nicht die Taurusrakete, wir müssen kräftiger zulegen. Der Wahn hört nie auf. Und vorangetrieben wird er, durch den Aberglauben, wir könnten mit militärischen Mitteln Sicherheit produzieren. Es hat kein natürliches Ende.

1945 im August dachte man nach Nagasaki und Hiroshima es müsste vorbei sein. Ein Theologe wie Karl Barth in Basel, der bis dahin dem Krieg nicht völlig abgeneigt war, erklärte, es ist unmöglich, dass es noch Krieg gibt. Die Mittel widerlegen jede Absicht, die man als Kriegsrechtfertigung ins Feld führen könnte. Es muss Schluss sein. Mehr darf nicht sein. Das war 1945. Sieben Jahre später entdecken die Amerikaner, dass eine Atombombe eine kritische Masse durch die Neutronenabstrahlung selbst enthält. Sie ist nicht groß genug. Wenn wir aber die Umwandlung von Wasserstoff in Helium und in der damit verbundenen Massenausfall, der sich in reine Strahlung verwandelt, zu einer Bombe konstruieren, eine Wasserstoffbombe, haben wir ein physikalisches Mordgerät nach oben hin unbegrenzt. Und das müssen wir haben! 1952 auf den Marschallinseln: die Insel Elugelab existiert nicht mehr. Zwei Jahre später. Bravo. Am 1. März fast genau vor 70 Jahren, hat man die größte Bombe, die bis dahin gezündet wurde. Man muss, um so etwas zu planen, zu tun, durchzuführen, nicht nur Angst haben, sondern eine quasi sadistische Grausamkeit.

Wenn wir mit Menschen nach Hiroshima schon kein Mitleid haben, vielleicht mitunter mit der unschuldigen Kreatur? 40.000 Wirbeltiere hatte man mitgenommen, um auf dem Bikini-Atoll zu testen, wie die Wasserstoffbombe wirken würde. In welch einer Entfernung platzen die Trommelfälle? In welcher Distanz, ist die Strahlenwirkung auf der Haut? In welcher Distanz die nukleare Strahlung? Wie verändern sich die Gene? Wie viele Missgeburten in den künftigen Generationen sind zu erwarten? All das an Tieren durchprobiert, um es noch besser bei Menschen anwenden zu können. Das soll die Sicherheit haben, die unsere Politiker uns schenken möchten, und in der Diskussion heute vorbereiten: Braucht nicht die EU - stellen Sie sich vor, Trump würde in den USA gewählt im Herbst - brauchen wir doch Atombomben die Deutschen. Das Programm von Franz Josef Straus von 1956, die Beteiligung der Bundesrepublik West: wir brauchen Atombomben für unsere Sicherheit! Darf man das noch sagen: Politik, die so etwas planen, sind Wahnsinnige. Darüber können wir nicht mehr diskutieren. Atomwaffeneinsatz bedeutet wie in Hiroshima in wenigen Sekunden 100.000 Tote, können wir machen! Ein Atomkrieg aber mit Wasserstoffbomben geht beim „atomaren Schlagabtausch“, wie man das nennt, in der Anfangsphase auf über 100 bis 150 Millionen Tote je nach Winddrehung. Sind das noch Menschen, die das Planen, die das Sicherheit nennen? Haben die ein Recht uns als Normaldenkende zu regieren und in den Wahnsinn einzuspannen?

Diese Fragen müssen wir haben, um zu begreifen, dass wir die Botschaft der Engel über den Fluren von Bethlehem endlich wörtlich nehmen sollten. Frieden ist keine Utopie, es ist die Notwendigkeit, dass wir Menschen bleiben. Und anders wird es gar nicht gehen.

Wie also dann? Zum einen: der Kern des Wahnsinns ist, Sicherheit besteht darin, dass ich besser präziser, tüchtiger, in größerem Umfang Morden kann als jeder potentielle Gegner. Das Schlimmste, was ich mir vorstelle beim Gegner, muss ich selber können, viel besser können, um ihn in die Knie zu zwingen. Das ist der Treibsatz der gesamten menschlichen Geschichte. Von Homers „Ilias“ bis heute. Und genau damit müssen wir Schluss machen. So kommt Sicherheit niemals zustande. Atombomben, Wasserstoffbomben, was Sie wollen, schaffen keine Sicherheit, sondern machen die ganze Welt unsicher. Bringen sie in eine Gefahrenzone, in der wir unrettbar am Irrsinn unserer Ängste verloren gehen. Lernen könnten wir, wie es gemacht würde, wenn schon nicht aus der Bergpredigt, mit der kann man keine Politik machen, hören wir Herrn Scholz sagen, hat schon Helmut Schmidt gesagt, hören wie sie alle sagen, bei den Tieren vielleicht? Wie gehen die mit ihren Ängsten um? Einfach, indem sie begreifen, dass die Angst, die sie vor dem anderen Tier haben, schon wie sie gucken, schon wie sie Laute von sich geben, schon wie ihre Hautoberfläche reagiert, dem anderen ebenfalls Angst macht. Und dieses Wechselspiel aus Signalen: ich habe Angst vor dir, weil du Angst vor mir hast, müssten wir durch das, was wirklich menschlich ist, auflösen.

Wir können miteinander reden! Das wäre das Allererste. Abschreckung bietet keine Sicherheit, sondern vergrößert die Unsicherheit. Umgekehrt: meine Sicherheit ist exakt die Sicherheit meines Gegners. Und anders kann sie nicht zustande kommen. Wenn ich die Angst meines Gegners nicht verstehe, wird es keinen Weg geben zur Verständigung. Ghandi konnte das so simpel sagen: „Es gibt keinen Weg zum Frieden: der Friede selber ist der Weg und wer nicht mit ihm anfängt, kann ich bei ihm ankommen.

Machen wir es konkret: 1989, aus der Hand eines Russen, genau gesagt zum dritten Mal, liegt ein Friedensangebot vor, dass wir nur aufnehmen müssten: Gorbatschow erklärt, dass die Menschheit von morgen etwas Besseres verdient hat, als den Irrsinn, ständig vorbereiteter atomarer Schlagabtausche. Hochrüstung alleine in den USA mehr als 700 Milliarden Dollar jedes Jahr verpulvert! Kein Geld für Flüchtlinge, für Verhungernde, für nichts: aber für Bomben!

Wie wäre es, so der Vorschlag Gorbatschows, wir geben es dran: Wir rüsten ab! Wir entmilitarisieren vom Ural bis zum Atlantik Gesamturopa. Der Warschauer Pakt hatte sich aufgelöst, die Erwartung war, auch die NATO sei völlig überflüssig. Dann versprach James Baker Außenminister der USA dem Russen, dass die NATO noch weiter bestehen wird, aber er muss keine Sorge haben, sie wird kein Zentimeter nach Osten vorrücken: Versprochen! Helmut Kohl dito in Moskau: Versprochen! Damals hatte die NATO 16 Staaten. Heute hat sie 32 Staaten: alle vorgeschoben nach Russland. Helmut Schmidt konnte sagen: „Wenn ich ein Russe wäre, und ich sähe, wie sich die NATO bewegt, von der Elbe bis zur Oder, von der Oder bis zur Weichsel, von der Weichsel bis zur Ostgrenze Polens, wäre ich nicht unbekümmert“. Muss man darauf Rücksicht nehmen? Wenn wir sagen, „Freiheit ist immer die Freiheit des Anderen“ sollten wir nicht auch sagen: „Sicherheit, ist immer die Sicherheit des Anderen“. Wenn wir seine Ängste nicht berücksichtigen und einfach drüber hinweggehen, wird Frieden nicht sein. Wie aber ging es weiter nach 1989? Kaum zwei Jahre danach hatte Busch der Ältere nötig im Irak einen Krieg vom Zaun zu brechen. Es ging darum, das riesige Militärlager bei der Aufrüstung des Kriegs, den der Irak gegen den Iran führen sollte, wieder abzuschaffen. Im Hintergrund aber um die Probe, was kann man Russland alles wegnehmen im Mittleren und Nahen Osten, weil es weder fähig noch Willens ist, es zu verteidigen. So laufen die Pläne Dick Cheney, Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz, später Chef der Weltbank, ein 21. amerikanisches Jahrhundert. Wenn sie Zweifel daran haben, dass das so gemeint war und gemacht wurde, lesen sie es noch nach bei Brezinski, 1997: „Die einzig verbliebene Weltmacht“, da steht bereits drin: „Wenn wir Russland die Ukraine wegnehmen, ist Russland keine eurasische Großmacht mehr“. Programmgenau das passiert!

Putin hält 2001 eine Rede im Deutschen Bundestag - mit Standing Ovation bedacht - und er trifft sich 2005 in der Heimatstadt von Immanuel Kants, dessen sind wir gerade gedenken, auf den Stufen der dortigen, nach dem deutschen Philosophen benannten Universität stehen beide zusammen. Platon hat mal gesagt, die uns Regierenden sollten Philosophen sein. Offensichtlich leiden wir im Deutschen Bundestag an einem Facharbeitermangel grausigen Umfangs, denn sonst könnte man erwarten, dass sie gelesen oder zumindest davon Kenntnis genommen hätten, was 1798 Immanuel Kant in den Gedanken zum ewigen Frieden äußerte: „Wenn der eine anfängt zu rüsten, wird der Nachbar auch rüsten und beide werden einander die Rüstung vorantreiben. Schließlich muss man Krieg führen, um die verauslagten Investitionen wieder zurückzuführen als Sieger.“ Ist über 200 Jahre her! Kant konnte vor allem sagen: „Was ist der Inhalt aller Moral, dass Menschen nie zu betrachten sind als Mittel zum Zweck, sondern stets als Zweck an sich selber.“ Dann muss man aufhören mit hunderttausenden von Menschen, mit Millionen Menschen, umzugehen, wie mit der Knetmasse der eigenen Machtausdehnung.

Das Prinzip der Amoral liegt in dem schon, was wir „Militär“ nennen. Scholz und Putin vor der Immanuel-Kant-Universität in Kaliningrad, Königsberg. 300 m weiter noch ein alter Unterstand, als Museum eingerichtet, wo man zeigt, wie die Festung Königsberg unter Adolf Hitler gegen die Rote Armee verteidigt wird. Russisch und deutsch in der Sprache, den Uniformen. Ein Rückblick in den Wahnsinn. 2005 war Frieden zwischen Deutschland und Russland nicht nur in greifbarer Nähe, sondern geradewegs versprochen. Warum konnte und durfte er nicht zustande kommen?

Wir dürfen nicht abhängig sein wirtschaftlich von Russland. Die Gaslieferungen von Russland machen uns wirtschaftlich abhängig von Russland, deshalb müssen wir die Pipeline sprengen, die das Gas liefern könnte. Und wer hat sie gesprengt? Darf man nicht wissen: die Schweden haben gerade ihre Untersuchung eingestellt, es könnte ja dabei rauskommen, wem es genützt hätte, die Pipeline zu sprengen. Stattdessen haben wir jetzt Fracking-Gas zu importieren. 98% Methangas. Schädlicher als alles, was die Kohle produziert, müssen wir, und zwar teurer, von Amerika beziehen, damit wir unabhängig werden von Russland. Aber wir schonen auch das Klima. Wir sind ja die Retter des Klimas für das Jahr 2050. Alles dreht sich im Kreise des Irrsinns. Aber es ist normal, es wir uns beigebracht, alle Medien schreiben genau dies. Und wer was anderes sagt, wie sollen wir den jetzt benennen? „Putin-Versteher“ ist das mindeste. „Gefallener Engel aus der Hölle“?

Ich weigere mich das gelten zu lassen. Ich glaube an die wahren Engel und nicht daran, das ausgerechnete der Scholz St. Michael wäre, der sie in die Hölle treibt. Was aber käme dann dabei herum, wir achteten auf die Angst des anderen. Wir sähen unsere Sicherheit am besten geborgen in der Sicherheit unseres vermeintlichen Gegners. Dann hätten wir die Regeln der Bergpredigt. Ganz wörtlich.

Sie finden im fünften Kapitel des Matthäus-Evangeliums, um genau zu sein im Vers 39, den Skandal, weswegen die uns Regierenden erklären, dass man mit der Bergpredigt keine Politik machen kann. Richtig: ihr Herren auf den Stühlen: die Politik, die ihr macht, kann man mit der Bergpredigt nicht machen, Gott sei Dank nicht! Denn die Bergpredigt ist die wirkliche Wende aus dem Irrsinn, den ihr fabriziert und das möchten wir: dass Schluss ist, mit dem, was ihr als Normalität, als Verantwortung, als machtpolitische Konstellation begreift. Matthäus 5.39: steht: „Leistet dem Bösen keinen Widerstand.“ – ungeheuer! Kann man nicht verstehen, wird sogar noch erklärt, sondern: „Wer dich auf die rechte Wange schlägt, dem halte noch die andere hin!“. Jetzt ist es klar: das kann ich nicht, das will ich nicht, das ist unverantwortlich! Wie aber wenn es die reine Wahrheit ist?

Da ist etwas, das böse ist. Und was tun wir dann? Wir kämpfen dagegen an! Mit welchen Mitteln? Die noch böser sind. Und was wird aus uns selber? Wir töten die Bösen und merken nicht, dass wir in kompletter Montur sie dabei sind zu ersetzen, schlimmer denn je. Das Böse schaukelt sich hoch, wenn wir es frontal angehen, in der Symptombeseitigung: im Töten von Menschen, die wir böse nennen. Die Alternative: eigentlich das ihnen normale in jeder Familie: Wir achteten darauf, warum etwas geschieht, das uns nicht gefällt.

Ein simples Beispiel: Ihr Junge in der Schule zeichnet sich aus durch Faulheit, Obsessivität, er ärgert den Lehrer. Das missfällt ihnen. Und sie, als Vater erklären: „Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, benimmst du dich jetzt ordentlich. Ich erwarte, dass deiner Intelligenz entsprechend du anfängst zu lernen. Ich will kein Sozialschmarotzer. Ich will einen tüchtigen Jungen sehen.“ So können sie sprechen. In früheren Zeiten, was heute verboten ist, konnten sie sogar zum Bakulus greifen und auf bestimmte Körperteile einzuwirken suchen, die dann im Gehirn eine erfreuliche Mitteilung hinterlassen sollten. Wenn es so steht, wissen sie, dass sie als Vater nichts erreichen werden. Sie drücken das, was ihnen nicht passt, einfach weg. Unterdrücken es. Und was wäre stattdessen zu tun? Was für Probleme hat eigentlich ihr Junge, wenn er sich so verhält? So war er nicht immer. Irgendetwas muss passiert sein? Vielleicht ist er gerade 13 und er hat zum ersten Mal ein Mädchen liebgehabt. Aber das hat jetzt einen anderen Freund. Er hat schwere Selbstzweifel. Ihr Junge wird ihnen das nicht freiwillig sagen, das ist für ihn peinlich. Sie bräuchten viel Vertrauen in der Vorbereitung, um dahinterzukommen, was mit ihrem Jungen wirklich passiert. Aber erst wenn sie das begreifen und ihn nicht beschimpfen, niedermachen, ankrakeelen, sondern Verständnis aufbringen, ihm sagen: „Du musst dich doch nicht schlecht fühlen. Dies Mädchen weiß doch noch gar nicht was Liebe ist. Es probiert doch einfach nur, wer ihr Freund sein könnte. Es hat eine Absage dir gegenüber zum Ausdruck gebracht, aber doch nicht, weil du so bist. Nur weil sie selbst gar nicht weiß, wohin sie greifen könnte und sich orientieren sollte. Und auch du wirst andere Mädchen kennenlernen. Du bist ein prima Kerl. Ich weiß das! Dass die das nicht weiß, können wir jetzt mal vergessen.

Redeten sie so zu, käme vielleicht auch ihr Sohn wieder dahin, dass Mathematik eine spannende Sache sein könnte. „Gleichschenklige Dreiecke“ - man muss nicht gerade Freud studieren - die Fantasie könnte belebt werden. Gleich viel: worauf ich hinweisen möchte, ist, dass die Konfrontation mit dem Symptom zwischenmenschlich genauso unsinnig wäre, wie wenn Sie einen Arzt hätten, der sich nicht um die Gründe ihrer Krankheit kümmern wollte, sondern die Krankheit selber als solche austreiben möchte. „Ja, wie sie schon aussehen, so bleich so dünn: so kann man ja nicht gesund sein. Also das muss sich ändern.“ Tja, wird es aber nicht, außer sie begreifen, was eine Lungenschwindsucht ist, und was man dann tun könnte. Jeder Arzt, jeder Vater, jeder normale Mitmensch begreift das, warum nicht unsere Politiker? Wenn der Andere Dinge tut, die gefährlich sind, die wirklich falsch sind, hat das Gründe und jetzt das peinliche, die in aller Regel mit dem, was wir selber sind und tun, zusammenhängen.

Dezember 2021 ist das letzte Mal, dass Putin in einem langen Artikel sagt, was er will: die Ukraine muss und soll militärpolitisch neutral bleiben! Nichts wird ihr passieren. Der Donbas muss Frieden gelassen werden. Die Abstimmung auf der Krim mit über 80% Russen, anerkannt werden von Kiew und militärpolitische Neutralität. Wir könnten es lernen von den Österreichern: Sie haben die Russen einfach aus Österreich herauskomplimentiert, mit dem Versprechen, dass sie dann gehalten haben, militärpolitisch neutral! Ging nicht in der Bundesrepublik West: Das war von Anfang an das geplante Aufmarschgebiet der Amerikaner gegen Russland im Kalten Krieg. Ein Kirchenmann wie Martin Niemöller konnte sagen: „Die Bundesrepublik ist ein Gebilde, dass man gezeugt hat in Washington und im Vatikan getauft hat.“ Es hatte überhaupt nur den Zweck, gegen Russland aufzumarschieren. Und deshalb entsetzt mich, dass wir 70 Jahre später all den Irrsinn wieder hören, der damals in den 50er Jahren der Bevölkerung beigebracht wurde. Immer kam der Russe. Immer mussten wir uns verteidigen. Immer brauchten wir die Amerikaner mit der Atombombe. Dann haben wir Sicherheit. Hatten wir nie! Wir mussten das Töten lernen, damit wir aus Verantwortung gute Menschen bleiben. Ist das so?

Richtig bleibt, dass Nordkorea nicht mehr existieren würde, wenn es keine Atombombe hätte, es wäre ihm gegangen wie Libyen 2011: „Weg mit Gaddafi“, „Regime change“ auf Amerikanisch und in vielen Vorstufen. Aber sollen wir diejenigen, die die schlimmsten Mordwaffen beieinanderhaben, tatsächlich so benennen, wie sie sich selber vorkommen: groß? Die ganze Lehre der Bergpredigt ist: Ihr seid klein, unmenschlich verachtenswert. Auf euch zu hören selber ist falsch, weil alles, was ihr denkt von eurer eigenen Größe, nichts weiter ist als ein aufgeblasener Narzissmus. Und worin er besteht, sagt ihr ja selber: ihr könnt über Millionen Menschen hinweggehen ohne jegliches Bedauern.

Ich erwähnte eben 1991 den ersten Krieg im Irak: eine Million Tote und anschließend Embargo gegen Saddam Hussein. 1998 fragte man die Außenministerin Madeleine Albright, was sie im Irak erlebt hatte, in den Jahren des amerikanischen Embargos: das Tigriswasser ist nicht aufbereitet, die Energieversorgung funktionieren nicht, Ersatzteile dürfen nicht geliefert werden. An all dem Durcheinander sind über 500.000 Kinder gestorben im Irak. Nicht im Krieg. Einfach durch Strangulation der Wirtschaft im Irak: 500.000 Kinder! „Ist ihnen das die Politik wert“, fragt man die Außenministerin der USA und ihre Antwort ist lakonisch: „Yes, sir.“ Was sind das für Leute, die uns regieren. Über 500.000 Kinder ohne Bedauern hinweg, ist normal. „Das ist Machtgewinn. Anders bekommt man nie die Macht, die Weltmacht.“ Aber das ist der Grundfehler bei allem, was wir erleben: wer Weltmacht will, kann keinen Frieden wollen.

Auch dass das Programm 1991 schon bei den Neokonservativen. Es kommt darauf an, dass wir keinen Konkurrenten mehr gegenüber den USA zulassen. Russland, China, … Europa soll Russland bekämpfen, im Pazifik die Amerikaner China einkreisen. Dann sind wir die verbliebene Weltmacht. Die einzigen Sieger im kalten Krieg. So auch die Bücher: Brzeziński, Fukuyama konnte reden vom Ende der Geschichte. Wie wenn die Hegelsche Vernunft auf dem Pferde eingeritten wär ins Weiße Haus. Das alles soll uns als normal beigebracht werden. Wenn wir aber das Programm der Bergpredigt hätten, wäre der Weg zum Frieden ein genau anderer, ein Kantsianischer: abrüsten statt aufrüsten!

Gorbatschows Plan: Konversion der enormen Mittel, wirtschaftliche, wissenschaftliche, humanitäre zur Lösung der wirklichen Probleme dieser Welt. Wir hätten es haben können und warum haben wir es nicht? Weil Amerika fürchtet, dass Deutschland Frieden machen würde, wie Scholz und Putin vor der Immanuel-Kant-Universität in Kaliningrad. Weil dann ein Korridor entstehen könnte von Westeuropa von Lissabon aus bis zum Osten Sibiriens nach Wladiwostok, ein eurasischer Wirtschaftsraum geschlossen. Das wäre das Ende der globalen Hegemonialstrategie der Amerikaner. Sie mit ihrem Projekt: „Wir sind die Rettung der Welt“. Sie sind die einzigen, die von Gott gesandten Messias-Leute, die die Welt in Ordnung bringen. Alles muss amerikanisiert werden. Dann kommt die Ordnung von alleine. Wurde boyottiert, beim Frieden zwischen Russland und Westeuropa. Das fürchtet man. Nicht den Russen, sondern dass man mit dem Frieden schließen könnte. In diesem Sinne funktioniert heute alles noch. Nie stand Europa so Gewehr bei Fuß wie jetzt. Noch nie wurde so viel Geld verplempert wie augenblicklich. Noch nie war man so gehorsam allem gegenüber, was Amerika will. Und sagt, dürfen wir da nicht sagen, wir sollten aufhören, eine amerikanische Kolonie zu sein, Aufmarschgebiet gegen Russland? Und ist das Antiamerikanismus? Könnte man nicht sagen, es gibt genügend ausgezeichnete Amerikaner, die zur Rettung der Ideale der Pilgrim Fathers auf der Mayflower, der Quäker in Pennsylvania sich ein anderes Amerika wünschen würden. Nicht nur Noam Chomsky, der darüber nachdachte, wie Menschen verschiedener Sprachsysteme einander verstehen könnten, einer von vielen anderen Autoren.

Einen noch, weil er erlebt hat, was er tun sollte: Howard Zinn, April 1945, wenige Tage vor Ende des sogenannten „Zweiten Weltkriegs“, will man, nachdem man mit Napalm in Tokyo unter Curtis E. LeMay so erfolgreich hantiert hat, natürlich auch probieren, ob das nicht im Westen genauso sein könnte. 1.300 Bomber werden gestartet von Großbritannien aus. Mit dem Angriffsziel „Royan“ in der Nähe von Bordeaux, da sind noch etwa 30.000 deutsche Soldaten, bereit abzurücken. Aber jetzt: 2 Millionen Napalm lässt man herabregnen, um sie bei lebendigem Leibe zu verbrennen, so viel wie möglich. Großartig: ein Sieg, den man noch errungen hat, in letzter Minute. Man hat gezeigt noch, wer man ist. Auch Großbritannien kann richtig Krieg führen. Den Franzosen helfen beim Sieg! Oder ist das nicht alles ein wahnsinniges Verbrechen? Howard Zinn hat genau das daraus gelernt: „Man darf denen, die solche Befehle geben, nicht länger folgen.

Und dann haben wir es zu tun mit einem langen Thema: das eine ist, wir müssten die Gründe des Fehlverhaltens unseres Nachbarn begreifen. Das meint Jesus, dann halte die andere Wange hin. Das ist etwas, dass sie aus jedem Streitfall in der eigenen Familie unter Freunden kennen werden. Ihr Mann, ihre Frau, tut etwas, das ihn nicht einleuchtet, dass sie verrückt finden, dann können Sie aus der Haut fahren und den Betreffenden anschreien, um ihn auf Kurs zu bringen. Was Jesus meint, ist dass es ganz anders sein kann: Der andere hat etwas getan, in der Meinung, er müsste mit dir so sprechen. Du weißt, dass das falsch ist. Für dich ist das nicht in Ordnung. Wenn du mit Macht und Gewalt darauf reagierst, wirst du den anderen aber nur bestätigen. Wir meinen genau das: So habe ich ihn wahrgenommen. Hingegen, wenn du den Schlag sich wiederholen lässt, du findest heraus, warum er dich so missverstanden hat, wieso er dich derart betrachten konnte, dass er dachte, genau die Gemeinheit hat der Kerl verdient. Dann hast du einen Freund gewonnen. Du hilfst dem anderen, zu sich selbst zu gelangen. Dann halte auch die andere hin, kann im wirklichen Leben eine beliebig hohe Zahl annehmen. Man muss den Gründen nachgehen, indem man das, was passiert ist, sich wiederholen lässt, bis es wechselseitig begreifbar wird. Das ist die einzige Formel - gewaltfreie Kommunikation könnten wir das technisch nennen - um auch nur einen kleinen Ehekrieg, kaum dass er ausbricht, wieder zu besänftigen. Ich sag das so, damit sie die Ausrede verlieren: „das kann ich nicht, das will ich nicht, das darf ich nicht“. Das müssen sie! Es wird nicht mal unter zwei Leuten Frieden geben, wenn sie so nicht vorgehen. Aber es kann in großem Stil ganz anders kommen.

Wir sind gegen alles, was rechts ist. Wir gehen auf die Straße, damit wir nicht rechts sind. Und was machen wir politisch? Die schlimmste Form des Faschismus, die denkbar ist. Adolf Hitler Originalton: „Ich bin Nationalsozialist und als solcher gewöhnt zurückzuschlagen, ab 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen, ab jetzt wird Bombe mit Bombe vergolten.“ 50 Millionen Tote sind die Folge. Zurückschlagen. Doch nicht die andere Wange hinhalten. Wär‘ ja noch schöner. Dazwischen können Sie wählen. Das ist wirklich alternativ. Biblisch gesprochen: sie können am Karfreitag, den wir nächstens feiern werden, laut dem Stadthalter Pilatus aus den Händen der Römer entgegenschreien: „Wir wollen den Barabas“. „Und was soll ich mit ihm machen?“ „Ans Kreuz mit ihm“! Ist eine Wahl auf Leben und Tod. Auf Frieden und Perpetuation von Kriegen ohne Ende. Eine Grundsatzfrage.

Dann müssten wir Umlernen. Die ganze Machtpolitik ist verkehrt. Das hat Jesus selbst erklärt. Matthäus viertes Kapitel: das ist die Idee des Teufels. Wenn wir endlich mal dem richtigen Mann die ganze Weltherrschaft in die Hände geben, der Weiseste, Gütigste, Menschlichste regiert die Welt, das wäre der Friede. Und Jesus erkennt, das ist ein teuflischer Gedanke. Wer Menschen beherrschen will, kann kein Frieden haben. „Verschwinde!“ ist die Antwort Jesu und sie gilt vom Weihnachtsmorgen an bei dem Lied der Engel und richtet sich unmittelbar gegen die sogenannte „Friedenspolitik“ von Kaiser Augustus im Kapitol in Rom. Und sie richtet sich genauso gegen die heutige „Friedenspolitik“ im Kapitol in Washington. Wer Macht will, globale Herrschaft will, kann kein Frieden wollen, sondern lebt in einer Welt von Konkurrenten. Das Problem ist, dass wir alle mehr oder minder das Durchschauen. Der Irrsinn könnte jedem deutlich vor Augen stehen und dennoch bleiben wir Folgsam. Wagen uns nicht. Lassen uns umdressieren. Die Entschuldigung lass ich jetzt mal nicht gelten, obwohl sie vieles für sich hat: wir werden befeuert durch die Medien ausnahmslos. Wer noch abweichend auch nur sagt, wir wollen Verhandlungen, ist schon, ja was ist er, rechts, ein Hitler-Nachfolger müssen wir denken. Bestimmt ein Faschist.

„Wir dürfen nicht mit Putin reden.“ Das ist noch etwas Neues oder Erweitertes. Man bringt uns bei, nicht nur, dass wir nicht reden können, sondern dass wir gar nicht reden dürfen. Selenskyj, jeden Tag eigentlich, man darf mit Putin nicht verhandeln, erst wenn er auf dem Schlachtfeld besiegt ist, dann frühestens kann man verhandeln. Oder vorweg: in Zürich oder wo machen wir eine gesamte Konferenz und diktieren die Bedingungen. Dann können wir verhandeln. Das alles haben wir schon mal gehabt, hier in Deutschland. Versailles, die Siegermächte im sogenannten „Ersten Weltkrieg“ setzen sich zusammen und planten, was zu verordnen wäre, damit Frieden einträte, gegenüber dem Angreifer Deutschland. Wie es dann weiterging, haben sie vor Augen: das Gegenteil von Frieden. Genau das: Der Irrsinn am Ende von 1918 in Versailles soll wieder aufgeführt werden. Man diktiert dem Gegner, wenn er besiegt ist, wie er sich zu verhalten hat. Er wird den Teufel tun. Lloyd George konnte das Sagen damals gegenüber den Plan, Deutschland zu entmilitarisieren: „Mehr als ein starkes Deutschland fürchte ich ein schwaches Deutschland: jedem Rattenfänger werden sie hinterherlaufen.“ Wie wenn man 1918 schon gesagt hätte, man weiß nicht, nach 10 Millionen, 15 Millionen Toten, mit allem, was zur Verfügung stand: Handgranaten, Trommelfeuer, Flammenwerfer, Bajonette, Panzerwagen: wir haben keinen Krieg gewonnen. An keiner Frontseite. Wir haben unsere Menschlichkeit verloren. Dann müssten wir den Gehorsam drangeben. Wir müssten wieder Menschen werden.

1915 ein bedeutender Chemiker Fritz Haber kommt auf die Idee, dass man Chlorgas so einsetzen kann, dass es ganze Abschnitte der gegnerischen Front derart vergiftet, dass sich das Gas in den Lungen der gegnerischen Soldaten in Salzsäure verwandelt und sie elendig verröcheln werden. Bei Verdun haben wir einen Friedhof in der Nähe einer Lungenheilstätte, in der sie die Grabsteine sehen. 22 Tote aus dem ersten Weltkrieg. Giftgas. Fritz Haber hatte eine Frau mit Namen Klara Immerwahr. Die beiden zusammen hatten die Fixierung von Stickstoff in der Atmosphäre dazu genutzt, Kunstdünger herzustellen, als ein Mittel, den Hunger weltweit ein wenig abzusenken. Deshalb war Klara Immerwahr Chemikerin geworden, um jetzt zu erleben, dass ihr Mann dieselben Methoden der Wissenschaft nun anwendet, um massenweise Menschen zu ermorden, war für sie derart unerträglich, dass sie sich das Leben nahm. Sie wollte eine Welt nicht mehr erleben, in der der Kaiser gesiegt hat, mit einem Massenmörder an ihrer eigenen Seite. Irgendwann muss Schluss sein.

Dann müssten wir uns wehren gegen das, was normal ist und was gerade unseren Jugendlichen, den Heranwachsen zugemutet wird. Laut der Parteigänger der Grünen, der pazifistischen Partei, die wir haben, sie sind ja der Fortschritt, sie sind ja die Jugend selber. Aber nun kommt's: Offiziere der Bundeswehr rücken ein, um den 16-jährigen Mädchen und Jungen beizubringen, wie Außenpolitik verantwortlich in der Gegenwart nach der Zeitenwende auszusehen hat. Wir müssen töten können, sonst sind hier keine Menschen. Soll man dem nicht widersprechen dürfen? Sie von der Friedensbewegung, sie werden nicht in den Massenmedien irgendeine Stimme haben. Im Gegenteil, wenn sie wie Frau Krone-Schmalz z.B. zeigen, wie Putin in die Enge getrieben wurde, mit Bewusstsein, darf sie im deutschen Fernsehen nicht mehr erscheinen. Wie Michael Lüders zeigt, wie im Nahen Osten die Amerikaner gewütet haben, ein Krieg nach dem anderen, darf er nicht mehr in der deutschen Fernsehschau auftreten. Ausschluss. Entweder negativ noch über ihn reden oder am besten gar nicht.

Wann lernen wir auf uns selber zu hören und das nicht mehr zu glauben, was man uns erzählt. Auch darüber hat man nachgedacht: Amerikaner, die Amerika vor sich selber bewahren mochten. Psychologen, Stanley Milgram während des Vietnamkriegs überlegt, wie es möglich ist, dass ganz normale Jungen aus New York, Boston oder sonst woher imstande sind, an einem Nachmittag ein ganzes vietnamesisches Dorf, 400 Menschen Frauen, alte Leute, Kinder serienweise mit dem MG zu ermorden. Was geht da vor sich?

Stanley Milgram hat nach langem nachdenken und experimentieren die einfachste Antwort: Was haben wir gefunden? Nicht Sadismus, nicht Perversion in Triebbereichen: Gehorsam! Und er analysiert wie auf jedem Kasernenhof der Welt 18-Jährige, 16-Jährige inzwischen erzogen werden, rein zum Drill. Wie schraubt man ihnen die Seele aus dem Körper? Ganz einfach vom ersten Moment an: „Angetreten, in einer Reihe durchgezählt, links schwenk Marsch.“ Das alles ist sinnlos, scheint es. Es hat dabei ein Zweck: der eigene Körper folgt nicht mehr den eigenen Bedürfnissen, den persönlichen Gefühlen, fragt nicht mehr, was sie selber mögen könnten, sondern nur noch, was befohlen wird. Man selbst ist nichts weiter mehr, als eine Maschinerie unter fremder Kontrolle und das soll sich hineinschrauben ins Gehirn.

Wie sollen sie den Feind betrachten? Auch da haben wir Zeugnisse genug. Joshua Key wurde 2003 angeworben fürs „Brückenbauen“. Er sollte mehr verdienen für seine vierköpfige Familie. Aber tatsächlich kam er nach dem Irak und hat darüber ein Buch geschrieben. „Ich bin ein Deserteur.“ Da beschreibt er seine Ausbildung. Wie man Menschen töten lernt. Wenn ich euch sage „Kill the sandnigers“, dann tut ihr das, ihr Schweine, wisst ihr „Kill the sandnigers“ nachsprechen, lauter ich höre nichts? „Kill the sandnigers“ sind alles Muslime, alle Muslime sind Terroristen, alle Muslime muss man töten, weil die Feinde Amerikas sind. "Ich habe das mitgeschrien", sagt Joshua Key. Ich war stolz darauf. Das ist die Ausbildung. Der Feind ist gar kein Mensch mehr, ist ein Monstrum, ein Ungeheuer. Sonst kann man ihn ja nicht serienweise töten. Und dahin muss man es bringen. Die Dämonisierung des Gegners macht alles gut, was wir selber treiben. Wir sind dann wirklich Sankt Michael wie Scholz sich wähnt, auf dem Schlachtfeld und Gott an unserer Seite. Und das ist die richtige Religion, sollen wir glauben. Alles eine einzige Lüge.

Allein schon die Zweiteilung in Gut und Böse hat ein Kollege von Stanley Milgram, Philip Zimbardo, in zwei Büchern dargelegt. Das letztere trägt den Titel schon „Das Böse“ und beschreibt, wie Abu Ghraib möglich war. Lindsey England, eine Frau, die mal Meteorologie studieren wollte, sieht man, wie sie einen nackten Iraker wie einen Hund über den Boden schleift. Was geht da vor sich in solche Menschen? Was hat man mit ihnen gemacht? Ganz einfach: da drüben ist das Böse schlechterdings. Die musst du zum Quieken bringen, denn sonst könnten es ja Terroristen sein, die Amerika angreifen, also quäle sie, bis sie reif sind. Und zwar genau da, wo sie am empfindlichsten zu treffen sind. Araber haben sowas wie eine Schamkultur, die muss man brechen, dann ist die Person gebrochen. Wie man das macht, spare ich Ihnen in der Ausführung. Aber sie haben extra Psychologen, 200.000 amerikanische Psychologen, die darüber nachdenken, wie man psychisch foltern kann, um den Charakter der Gegner zu brechen. Und das wird beigebracht. Das muss man lernen. Trainieren. Charles Graner, vorher in Guantanamo tätig, war der Mann dann in Abu Ghraib und der Geliebte von Lindsey England. Alles geht da durcheinander.

Was also machen wir, außer dass wir denen, die uns regieren wollen, erklären: so nicht mit uns! Ihr erwartet von uns, dass wir uns zivil benehmen, dann bringt uns nicht dauernd bei, das genaue Gegenteil zu tun, indem ihr eure Kasernenhöfe weiterreibt.

Albert Einstein hatte recht: Solange es ein Militär gibt, kann es einen kulturellen Fortschritt nicht geben, weil wir in jedem Kriegsfall um Jahrtausende zurückfallen in die beliebigen Zonen und Handlungsweisen der Vorzeit. Das Militär ist eine Parallelgesellschaft zu allem, was wir zivil machen und die Lüge liegt schon darin, dass wir von einem „Bürger in Uniform“ sprechen. Der Bürger lebt im Frieden, der in Uniform im Krieg und beides ist reine Schizophrenie. Und der eine müsste zum anderen sagen „Nein, es ist Schluss. Mich verteidigst du so nicht“.

Was ich jetzt sage, ist ein bisschen schwierig aber aus Zeitgründen muss ich es kompakt machen. Sie sind ein Stück weit politisch orientiert und es ist ihnen zu wünschen, dass ihre Stimme Gehör findet, ohne Zweifel. Aber das Paradoxe ist: Es geht nicht einmal darum, ob sie politisch Erfolg haben. Immer wieder höre ich sagen, ja was du da sagst, ist ja schön und gut, aber da bist du ja ein einsamer Rufer in der Wüste. Wer denkt denn noch so: „Raus aus der NATO“. Das ist gleichbedeutend mit „Raus mit DIR“! Wenn du das willst, ja bitte schön. Aber wir wollen dabei sein, dabeibleiben. Wir wollen mitreden. Wir wollen Einfluss haben. Und schon möchte es sein, dass du geliefert bist.

Die SPD 1962 wollte an die Regierung kommen. Herbert Wehner sorgte dafür und es war das Ende der SPD, die mal antimilitaristisch dachte. 1999: die Grünen wollten an die Macht kommen, Joschka Fischer war ihr Apostel, und er erklärte, „Ich habe gelernt, dass vom deutschen Boden kein Krieg ausgehen darf. Aber ich habe auch gelernt, dass Auschwitz verhindert werden muss.“ Und warum? Weil man mit neuen Lügen aus Račak der Bevölkerung vorgemacht hat, wie schrecklich doch die Serben sind. Ein Haufen Toter waren auf den Bildern. Lauter Zivilisten, die Slobodan Milošević ermordet hat. Also deutsche Bomber über Belgrad! Müssen wir dabei sein. In Wirklichkeit wusste Brigadegeneral Heinz Loquai, dass das in einem Kriegsgefecht zwischen Serben und der UCK Gefallene waren. Die UCK war eine albanische Terrororganisation, unterstützt aber von den Amerikanern, weil es darum ging, das Kosovo auszuspannen von der ehemaligen jugoslawischen Regierung. Nicht mit Serben! Der Kosovo war den Serben mal heilig, weil: es war der Ort, wo sie glaubten, den Islam abgewehrt zu haben. Und das Christentum zu beschützen. Egal, muss uns alles nicht interessieren. Man wollte die NATO im gesamten Balkan arrondieren und das hat man geschafft. Kein Zentimeter den Russen. Nur alles weggenommen. Russland, muss man sich ja mit ansehen, wenn man ein Russe ist. Muss man für Verständnis haben. Amerika ist ja das Gute. Nie tun wir etwas Böses. Dabei in Wahrheit will ich darauf hinaus, selbst wenn sie das alles sehen und merken, dass sie keinen Einfluss darauf haben, außer sie belügen sich selber, indem sie weiter mitmachen wie Joschka Fischer: „Dann müssen wir eben den Krieg bejahren“.

Keine deutsche Regierung ist möglich gewesen in der Bundesrepublik West und inzwischen in der ganzen Bundesrepublik, mit dem Programm „Raus aus der NATO“, wenn Sie das sagen, wird Amerika dafür sorgen, dass sie niemals ein Regierungsamt bekommen. Was ich da sage, ist derart horrende, dass 1952 die NATO unterirdisch eine Geheimarmee hatte, „Gladio“ genannt, mit Verzeichnissen, was alles zu ermorden wäre, wenn es gefährlich würde, dass diese Leute an die Regierung kämen. Darauf stand z.B. der damalige SPD-Chef Ollenhauer. Hätte er das Glück oder das Pech gehabt, er wäre zum Bundeskanzler gewählt worden und hätte Adenauer abgelöst, es wäre sein Todesurteil gewesen. Wie in vielen anderen Fällen. 1960 Patrice Lumumba im Kongo. In Chile Allende. Wir könnten dranbleiben. Untergründig NATO: sobald sie an die Macht wollen, ist die Versuchung riesengroß, alles wofür sie mal gestanden haben, sich selber zu verderben. Und Jesus hat recht - das sind die Ideen des Teufels: du musst erst einmal mit den Mitteln der Macht an die Macht kommen und dann kannst du die Welt verändern. Genau das Gegenteil wird sein. Also fordere ich sie auf, die Frage egal sein zu lassen, wie viele an ihrer Seite noch genauso denken, wie sie. Die Frage ist alleine: Stimmt es für sie, oder stimmt es nicht? Und dann müssen sie dabei bleiben.

Hermann Hesse hat das auf seine Art gesagt, 1955. Er antwortet einem Briefeschreiber, der fragte, was er mit seinem Roman „Demian“ eigentlich gemeint hat, die Geschichte eines Pubertierenden, der sich moralisch nicht zurechtfindet, scheinbar. Die Antwort von Hermann Hesse geht zurück auf den Zeitpunkt der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik West. Und er bringt es auf den Punkt: „Wenn sie jetzt kommen und sagen, das ist ein Gewehr, da drüben steht ein Pappkamerad, lege an, Kimme und Korn, übe zu zielen, das ist der Abzug, wenn du ihn auslöst, fällt der Schuss. Das hast du gelernt. Dann kommen sie eines Tages und sagen, da drüben steht kein Pappkamerad, da steht der Franzmann, da steht der Russe, wie im ersten Weltkrieg. "Jeder Stoß, ein Franzos, jeder Schuss ein Russ‘". Und du tust das. Denn wenn die Zeitungen sagen, ein guter, treuer Soldat. Der Militärpfarrer wird sagen, er hat den Befehl gehorcht, wie er musste. Römerbrief Kapitel 13 die Verse 1 bis 7: „Jede Obrigkeit ist von Gott“. Das hat er begriffen. Der Kompagniechef wird jetzt sagen, „Das sind meine Leute, da kann man sich drauf verlassen“. Oder du machst es anders. Du nimmst das Gewehr, weil du die leise Stimme deines Gewissens hörst, die dir sagt: „Du sollst nicht töten“. Und du zerbrichst das Gewehr über deinem Knie. Dann wird die Zeitung schreiben „ein Verräter, den eigenen Fahneneid hat er gebrochen.“. Der Pfarrer wird sagen: „Er hat Gott missverstanden und auch die Kirche“. Die hat seit 2000 Jahren die Lehre vom gerechten Krieg vorgetragen. Spätestens seit den Tagen Konstantins immer der gerechte Krieg. Hat er falsch verstanden. Der Kompagniechef wird sagen: „Jetzt bin ich es leid. Ich werde die Kerle richtig schleifen, dass sie wissen, was sich gehört“. Du stehst vor der Wahl: „Man muss Gott mehr gehorchen, als den Menschen“, steht in der Apostelgeschichte.

Und dann bleibt die Frage: es gab mal einen Film, schwarz-weiß, sehr empfehlenswert noch heute, in der Zeit der Nouvelle Vague, Alain René hatte ihn gedreht, unliebsam geworden für Charles de Gaulle, weil er die Folgen der französischen Kulturpolitik in den Kolonien dokumentiert hatte. Ein außerordentlicher Film. „Nacht und Nebel“ z.B., das Eindringlichste, was sie zu den Massakern der Nazis an den Juden auf der Leinwand jemals sehen werden. „Nacht und Nebel“, 35 Minuten. Der Mann hat auch einen Film gedreht unter dem Titel „Hiroshima, mon amour“ nach dem Drehbuch einer Südostasiatin. Da drin wird erzählt, dass man Hiroshima nicht sehen kann, indem man den Platz der 10.000 Sonnen besucht. „Du hast nichts gesehen in Hiroshima“, sagt der Japaner der Französin, die nur in Hiroshima ist, um einen Werbefilm für den Frieden zu drehen. Man dreht do Werbefilme für die Seife, warum nicht für den Frieden? Aber dann erzählt sie ihr eigenes Schicksal: 1945, es läuteten die Glocken. Der Sieg über Nazi-Deutschland war errungen. Aber sie hatte einen deutschen Soldaten ins Herz geschlossen. Und der lag tot auf der Straße und sie über ihm. Einen Tag und eine Nacht lang. Dann schleifte man sie an den Haaren durch die Straße, sperrte sie in den Keller, schnitt ihre die Haare ab, beschimpfte sie als Soldatenhure, und trieb sie durch die Stadt. Darf man einen Feind lieben? Darf man unterscheiden, was ein Mensch ist und was er für eine Uniform trägt? Ist es möglich, dass die Liebe Grenzen sprengt? Und es wäre das Ende aller Kriege. Besser Soldatenhuren als Soldatengouvernanten. Und ich möchte vor allem, dass die Mädchen, die jetzt mit 16 angeworben werden für die Bundeswehr, mal sagen: „Das darf nicht sein. Wenn ich ein Kind habe, will ich nicht, dass man es umbringt“. Und ich will auch nicht, dass man mir erklärt, man kann dein Kind nur schützen, indem wir serienweise die Kinder anderer Mütter jenseits der Grenzen ermorden. Ich möchte, dass wir lernen, in Frieden zu leben. Das bringe ich meinen Kindern bei. Das möchte ich im Umgang mit meinen Nachbarn lernen. Mit meinem Mann ohne dies. Und ich möchte und verlange, dass ihr, die uns regieren wollen, es auch lernen.

Es geht nicht länger durch, dass Thomas Hobbes sich geirrt hat, als er meinte, der Naturzustand ist der Mensch, ist des Menschen Wolf und deshalb gibt es den Staat. Der Staat hat das Gewaltmonopol und sorgt jetzt für Ordnung. Da hat er sich schon deshalb geirrt, weil die Staaten miteinander noch viel als grausamer als die Wölfe umgehen. Wird das das Ende eines Vortrags, wenn ich zu bedenken gebe, was 1915 Sigmund Freud davon meinte, im Ersten Weltkrieg: Es zeigt sich jetzt, schrieb er, etwas, dass wir auch schon vor dem Kriege hätten wissen können: Dass der Staat Mord, Lüge, Verrat, Zerstörung, systematisches Ausrotten ganzer Bevölkerung nicht unter Verbot stellt, um es aus der Welt zu schaffen, sondern um auf diese Praktiken ein Monopol zu erheben, wie auf den Import von Zucker und von Tabak. Seien wir die Grenzwächter gegen den Import des Ungeistes, der unsere Politik bestimmt, ist der reine Wahnsinn. Quer durch die Geschichte. Und irgendwann muss Schluss sein. Vielleicht bei Ihnen Heute Abend. Ich wäre dankbar. Danke schön. [Applaus]

Die Dankbarkeit liegt ganz bei mir. Ich wäre auch ohne sie Pazifist, aber mit Ihnen bin ich es liebend gerne. Und noch hinzufügen möchte ich, dass es im Deutschen Bundestag nicht nur an Philosophen mangelt, sondern auch an Literaturbeflissenen. Wie kann unsere Außenministerin erklären, Russland ist kein Teil Europas? Frau Baerbock: wir hätten die deutsche Literatur nicht ohne russische Literatur: Von Puschkin bis Tolstoi. Und was könnten wir lernen von den Russen. Dostojewski schreibt, dass im Ostrog in der sibirischen Gefangenschaft, wohin er auf Deutsch mitgenommen hat, Immanuel Kannt‘s „Kritik der rein Vernunft“. Da sagt er, es unterscheidet sich Russland von Westeuropa: Wenn jemand ein Verbrechen begeht, nennt man‘s im Westen ein Verbrechen und ihn selber ein Verbrecher. Wir in Russland sagen, er ist ein Unglücklicher und fügen hinzu: Er hat in seinen Untaten unser aller Schuld auf sich genommen. Das, Frau Baerbock, ist ein absoluter Unterschied zwischen Russland und dem, wie sie Deutsche repräsentieren wollen. Krieg ist gerade so viel, wie die ungesetzliche Todesstrafe für beliebig viele Tausende auf der Gegenseite. Wir haben die Todesstrafe abgeschafft aus juristischen Gründen. Wir sollten Sie ohne juristische Gründe nicht wieder militarisiert einführen. Irgendwann muss Schluss sein. Aber ich bin dabei mich zu wiederholen. Ich höre jetzt auf [Applaus].

Danke. Mein Vater war im ersten Weltkrieg August 1914 freiwillig abkommandiert nach Russland. Soldaten, die nach Hause kommen, erzählen nicht von dem, was sie erlebt haben. Es gehört mit dazu. Es ist in einem Umfang schrecklich, dass sie es ihrer Frau und ihren Kindern nicht zumuten werden. Mein Vater war kein Dichter. Aber ein Wort habe ich von ihm in Erinnerung: abends an der Ostfront bei Baranovichi, wenn die Schießduelle aufhörten, brach in den deutschen Schützengräben Stille aus. Denn man wartete da drauf, dass drüben 300 m weiter die Russen anfingen zu singen. Wie ist das möglich? Wir hörten Beethovens 9. mal als deutsches Vermächtnis. Musik kann Menschen miteinander verbinden. In der Sprache meines Vaters, der kein Dichter ist gewesen, lautete das so: „Die russische Seele ist eine Nachtigall. Mein lieber Vater, kann man Nachtigallen töten, weil sie so singen? Darf man das? Muss man das?“. Nein, man muss nein sagen zu denen, die das sagen. So könnte ich ein Finale ans nächste senden. Aber sie sind dran.

Referent: Eugen Drewermann

Eine Transkription von KLARTEXT Rhein-Main. Es gilt das Wort - von Eugen Drewermann gesprochen - am 12.03.2024 in Mainz-Kostheim auf Einladung der Partei „dieBasis“.
Videoquelle incl. Fragerunde am Schluss: RUMBLE oder YouTube.