Menschen sind Gewohnheitstiere. Das ist eine Binsenweisheit. Mit dieser oberflächlichen Erklärung verschaffen sich Leute dann Rechtfertigungen dafür, dass es ihnen nicht gelingt, Seiten an sich zu erkennen und abzulegen, die ihnen im Alltag mächtig Schwierigkeiten bereiten. Oftmals bemerken die Betroffenen diese Schwierigkeiten gar nicht. Was macht eigentlich das Verlassen der eigenen Komfortzone so verdammt schwierig?
Ich habe in meiner Arbeit der letzten Jahre entdeckt, dass ein Mensch, der sich verändern will, vier Stadien durchläuft:
1. Erkenntnis
2. Entscheidung
3. Handlung
4. Feedback und Reflexion
Durch Feedback aus der Umwelt über die Handlungen kommt es wiederum zur nächsten Erkenntnis und so etwas wie ein positiver Verhaltenskreislauf wird angestoßen, der bei entsprechender Übung sich schnell nach oben drehen kann. Wo genau also bleiben Menschen auf diesem Weg stecken, so dass es nicht zu einer Veränderung kommt?
Es beginnt beim ersten Schritt, der Erkenntnis. Bleibt diese aus, passiert einfach nichts. Dann tun Menschen das, was sie kennen und können, mit einem entsprechenden Ergebnis, das sie kennen. Wer seit vier Jahren die immer selben dysfunktionalen Kommunikationsmuster reproduziert und dabei ein ums andere Mal vor die Wand läuft, hat vermutlich noch nicht die Erkenntnis gehabt, dass die negativen Reaktionen aus der Umwelt weniger etwas damit zu tun haben, dass die anderen alle blöd sind. Viel mehr liegt es an den eigenen negativen Mustern und dem eigenen Mindset beim miteinander Reden. Wer diese Erkenntnis nicht hat, wird die immer gleichen Muster abspulen und die immer gleichen Reaktionen erhalten. Erst die Erkenntnis „ich muss etwas ändern, wenn ich andere Reaktionen will“ führt zu Wachstum. Ich kann seit vier Jahren auf jeder Demo mitlaufen und bei jedem Event dabei sein. Wenn ich nach vier Jahren immer noch keine Idee habe, wie ich mir mein Leben im „Hier und Jetzt“ gestalte, statt dagegen anzukämpfen, was jetzt gerade ist. Dann habe ich noch keine Erkenntnis darüber, dass die nächsten 10 Jahre Dauerprotest vermutlich auch nicht die lang ersehnte Revolution herbeiführen.
Der definitiv wichtigste und auch gleichzeitig schwierigste Schritt ist es, eine Entscheidung zu treffen. Wie oft hören wir von Leuten den Satz „man müsste mal mit dem Rauchen aufhören“ oder ähnliche Formen von „man müsste mal...“. Wer genau handelt denn da? Eben! Niemand. In „man“ und „wir“ gibt es keine Verantwortung. „Man“ und „wir“ können nicht handeln. Und in solchen Formulierungen ist deutlich zu hören, dass da jemand einfach noch keine Entscheidung getroffen hat, sich auf die Socken zu machen. Es ist die Entscheidung, die mich auf die Strecke bringt, und es ist die ausgebliebene Entscheidung, die Menschen wieder und wieder dieselben Schleifen durchlaufen lässt, mit dem immer gleichen Ergebnis.
Wenn Sie sich verändern wollen, weil Sie die Notwendigkeit und den Sinn erkannt haben, dann treffen Sie eine Entscheidung, was Sie ändern wollen und was Sie dafür bereit sind zu tun. Dann entscheiden Sie sich, wann und wo Sie das tun wollen. Haben Sie schon mal versucht in den Urlaub zu fahren, ohne eine Entscheidung zu treffen, wohin es gehen soll, was Sie bereit sind, dafür hinzulegen und wann Sie gerne in den Urlaub fahren möchten? Klingt absurd und gleichzeitig verhalten sich viele Menschen mit ihrem Leben genauso. Sie kommen z.B. zu mir in einen Workshop über Gelassenheit im Alltag und könnten dort haufenweise nützliche Dinge lernen, die im Alltag echt helfen. Und wenn ich die Leute ein halbes Jahr später wieder treffe und frage, wie es mit der Gelassenheit so läuft, kommt als Antwort des Öfteren „ja, man müsste halt mal mehr üben“. Sie merken, lieber Leser, da hat jemand einfach noch keine Entscheidung getroffen sich auf die Reise zu mehr Gelassenheit zu machen und etwas dafür zu tun.
Die Phasen 3 und 4 (Handlung und Feedback/Reflexion) stellen sich ja automatisch ein, wenn die Entscheidung getroffen ist, denn mit der Entscheidung ändern sich die entsprechenden Handlungen. Mit den veränderten Handlungen ändert sich das Feedback und damit auch die Reflexion. Alles ändert sich – nicht nur das konkrete Verhalten, sondern die gesamte Wahrnehmung, weil durch die veränderte Aufmerksamkeit für bestimmte Dinge, sich die Wahrnehmungsfilter ändern. Mit dem vollendeten zweiten Schritt – der Entscheidung – passiert alles andere fast automatisch. Es müsste halt mal „jemand“ eine Entscheidung treffen...
Autor: Dirk Hüther