Dokumentarfilm: „Die dunkle Seite der Wikipedia“

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Wenn Sie etwas wissen wollen – greifen Sie noch zur Brockhaus Enzyklopädie? Das können Sie nur, wenn Sie das Nachschlagewerk vor dem 30. Juni 2014 erworben haben. Zu diesem Tag wurde der Vertrieb der gedruckten Variante nämlich eingestellt.

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Der überwiegende Teil der Deutschen geht inzwischen online auf die Suche, wenn es darum geht etwas nachzuschlagen. So geben 80% der deutschen Internetnutzer an, Wikipedia zu nutzen, in Deutschland liegt die Seite auf Platz sieben der am häufigsten besuchten Internetseiten.

Die Online-Enzyklopädie hat einen guten Ruf, scheint sie doch für die Demokratisierung des Wissens im Internet zu stehen. Und sind wir doch ehrlich – welche Alternative fällt einem denn ein zu der allgegenwärtigen und immer zitierten Onlineplattform? Dass dort irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugehen soll, scheint schier unmöglich, immerhin steht es jedem, der sich zu den Grundprinzipien der Plattform bekennt, offen bei Wikipedia mitzuarbeiten. Und so ist für die meisten Wikipedia der unangefochtene Standard – auch wenn es darum geht, Wahres von Unwahrem zu unterscheiden (sofern man sich diese Entscheidung nicht von den sogenannten „Fakten-Checkern“ abnehmen lässt). In den letzten zwei Jahren haben viele von uns lernen müssen, dass viele etablierte Institutionen nicht das Vertrauen verdient haben, das wir ihnen seither geschenkt haben. Der Dokumentationsfilm „Die dunkle Seite der Wikipedia“ bestätigt dies leider auch für das digitale Nachschlagewerk. Die Macher des Films stellen zwar anerkennend fest, dass die Artikel im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich vorbildlich seien. Bei gesellschaftswissenschaftlichen Themen hingegen findet offenbar gezielt und kontrolliert Manipulation statt. Die Kurzbeschreibung zum Film spricht von „totalitären bzw. mafiösen Sozialstrukturen“. Die Dokumentation zeigt dies beispielhaft am Wikipedia-Eintrag des Schweizer Historikers und Friedensforschers Dr. Daniele Ganser. Dieser beschäftigt sich unter anderem mit den Geschehnissen rund um die Terror-Anschläge vom 11. September 2001. Der aktuell gültige Wikipedia-Eintrag unterstellt Ganser schlicht „er verbreite Verschwörungstheorien“. Die Dokumentation zeigt, wie Gruppen von Administratoren und Sichtern eine sachliche Diskussion oder die Editierung von bestimmten Artikeln und Themen unmöglich machen. So scheitern über Jahre hinweg die Versuche, den Abschnitt, in dem die Verbreitung von Verschwörungstheorien unterstellt wird, in ein neutraleres Licht zu rücken.

Zum Film stellen die Macher das vollständige Skript mit Links zur eigenen Quellenrecherche zur Verfügung. Dieses Skript und den Film finden Sie unter: link

Auf derselben Seite gibt es monatlich Videobeiträge, die an aktuellen Geschehnissen zeigen, dass bei Wikipedia das in der Dokumentation gezeigte Vorgehen keine Ausnahme ist. So gab es im April einen Artikel zum Massaker in Butscha und im Mai einen Beitrag zur Krim. Bei beiden Artikeln kann das vormals beschriebene Handeln ebenfalls nachvollzogen werden - ein sachlicher Austausch war Autoren mit Änderungsvorschlägen auch hier nicht möglich. Ebenfalls zeigen die Betreiber von „Neues aus Wikihausen“ dem unbedarften Wikipedia-Nutzer, wie man anhand der Versionsgeschichte und nützlichen Tools wie „WhoColor“ selbst einen tieferen Einblick in die aufschlussreichen Änderungen von Wikipedia-Artikeln bekommen kann. Nach Beschäftigung mit dem Thema Wikipedia zeigt sich erneut, dass es unbedingt nötig ist, die Herkunft von Informationen selbst zu prüfen und sich auf keine Quelle per se zu verlassen.

Autor: Sven Semmle