Im September fand in New York ein von der deutschen Regierung vorbereiteter UN-Zukunftsgipfel statt. Dabei wurde ein „Globaler Digitalpakt“ verabschiedet, welcher unter fast völligem Ausschluss der Öffentlichkeit und der Parlamente bereits zuvor ausverhandelt wurde. Schiebt man die Floskelwatte beiseite, in die der Global Digital Compact gepackt wurde, so sieht man eine Vereinbarung, alle Menschen in eine von den Digitalkonzernen kontrollierte Welt zu zwingen.
Wenn ich von Ausschluss der Öffentlichkeit schreibe, so meine ich damit nicht Geheimhaltung. Die Verhandlungen beim Gipfel fanden zwar hinter verschlossenen Türen statt. Aber der Global Digital Compact in den Fassungen der 2. Revision und der 3. Revision ist auf der Netzseite der UN zum „Summit of the Future“ veröffentlicht. Aber weder die UN, noch die in die Vorbereitung des Gipfels eingebundene deutsche Bundesregierung haben ernsthafte Bemühungen angestellt, die Öffentlichkeit über das Geplante zu informieren, oder dieses gar in Parlamenten zu diskutieren. Auch ist nicht öffentlich, welche Konzerne, Stiftungen und handverlesenen Vertreter der „Zivilgesellschaft“ mit am Verhandlungstisch saßen. Das Weltwirtschaftsforum war dabei, der Club of Rome, wie berichtet, wohl auch. Im Vertragstext erfahren wir einleitend, dass digitale Technologien „immense mögliche Vorteile für die menschliche Wohlfahrt und den Fortschritt der Gesellschaften bieten“, und dass wir deshalb jegliche digitale Kluft zwischen den Ländern und innerhalb der Länder beseitigen müssen. Das erklärte Ziel ist „eine digitale Zukunft für alle“.
Wichtig ist, was in dem Vertrag nicht steht. Das Wort freiwillig („voluntary“) kommt nur im Zusammenhang mit dem Unterschreiben des Vertrags vor. Für die Bürger jedoch gibt es kein Recht, für sich selbst eine andere als die gänzlich durchdigitalisierte Zukunft zu wählen. Denn das würde ja eine „digitale Kluft“ eröffnen, die es nicht mehr geben darf. Ein Recht darauf, viele seiner Angelegenheiten auf althergebrachte Weise im Umgang mit anderen Menschen, statt mit Computern zu regeln, ist nicht vorgesehen. Niemand soll wählen dürfen, dass seine Kinder von Lehrern statt von Computern unterrichtet werden, oder dass Gespräche mit dem Arzt und Behandlungen ein Geheimnis bleiben, statt auf die Server der IT-Konzerne gepackt zu werden. Nichts in dem Vertrag deutet darauf hin, dass man ein solches Recht überhaupt in Betracht gezogen hat.
Risiken werden anerkannt, allerdings ohne diese konkret zu benennen. Sie sollen „abgemildert werden“. Ebenso soll die menschliche Oberaufsicht über die neuen Technologien sichergestellt werden. Die internationale Zusammenarbeit müsse agil sein, und sich an die sich schnell verändernde Techniklandschaft anpassen. Dann gibt es noch sehr viel Blabla mit schönen Adjektiven wie nachhaltig, gerecht, offen, verantwortlich usw. Das klingt gut, hat aber dicke Pferdefüße.
Die Entwicklung der digitaltechnologischen „Landschaft“ wird damit als von oben kommend dargestellt, als etwas, an das sich die Bürger und sogar die Regierungen anzupassen haben. Dabei ist Landschaft nur ein anderes Wort für die Digitalkonzerne und das, was sie sich ausdenken. Damit wird eine Führungsrolle der Konzerne anerkannt. Diese ist ein roter Faden des UN-Zukunftsgipfels und des Handelns der UN in den letzten zwei Jahrzehnten.
Risiken der Digitalisierung sollen in keinem Fall vermieden werden, sondern nur „abgemildert“. „Menschliche Oberaufsicht“ über die neuen Technologien ist etwas ganz anderes als demokratische Kontrolle und Entscheidungsautonomie der Nutzer. Wenn Mark Zuckerberg von Meta, Sam Altman von OpenAI, die Chefs von Google oder „X“ die Oberhoheit über die neuen Technologien haben, ist diese Forderung des Vertrags erfüllt, aber die Interessen der Bürger sind alles andere als gewahrt. Der ganze Vertrag liest sich, als hätten die IT-Konzerne und ihre Stiftungen ihn formuliert, und das ist wahrscheinlich nicht weit von der Wahrheit. Schließlich ist die UN auf das Geld der Konzerne angewiesen, und die weltweit reichsten und mächtigsten Konzerne sind nun einmal die IT-Konzerne.
Fazit
Wenn auf internationaler Ebene, unter Führung einer von IT-Konzernen stark beeinflussten UN, abseits von Öffentlichkeit und Parlamenten gekungelt wird, um die Digitalisierung zu fördern und alle Menschen – ob sie wollen oder nicht – zur umfassenden Nutzung digitaler Geräte zu bringen, wundert man sich nicht mehr, warum unsere Bundesregierung mit so viel Engagement die Bürger einem Digitalzwang unterwirft. Sei es durch Abschaffung der Möglichkeiten, bar zu bezahlen, sei es über das Staatsunternehmen Bahn oder die halbstaatliche DHL oder die willkürliche Verknüpfung von staatlichen Wohltaten wie Deutschlandticket, Kulturgutschein für 18-jährige und Energieeinmalzahlung für Studenten mit der Nutzung eines Smartphones. So holt sich unsere Regierung Fleißkärtchen bei der internationalen Evaluierung der Fortschritte bei der Digitalisierung.
Dass man damit die Bürger einer immer intensiveren digitalen Überwachung jedes ihrer Schritte und Äußerungen unterwirft, ist ein zusätzlicher Bonus für unsere überwachungshungrigen Regierenden.
Nehmen Sie das nicht schweigend hin! Lassen Sie die Abgeordneten wissen, dass Sie von ihnen erwarten, das Recht der Bürger auf ein selbstbestimmtes Leben mit geschützter Privatsphäre zu verteidigen. Fragen Sie sie, warum in dem Digitalpakt kein individuelles Recht auf Verzicht auf Digitalisierung erwähnt wird. Fragen Sie, was sie davon halten. Fragen Sie, ob sie nach der Maxime vorgehen, dass alles, was gut für die IT-Konzerne ist, auch gut für Deutschland ist. Prüfen Sie, ob sie Parteien wählen wollen, die die Interessen der IT-Industrie über diejenigen der Bürger stellen. Nach meiner Einschätzung sind die Digitalzwangparteien zuvorderst die FDP, eng gefolgt von den Grünen und mit wenig Abstand CDU und SPD.
Übrigens: Wenn Sie nach der Information suchen, welche deutschen Teilnehmer, oder generell, welche Teilnehmer bei dieser demokratiefernen Veranstaltung dabei sein durften, dann werden Sie feststellen, dass selbst die Bilderberg-Gruppe gegenüber diesem Forum ein Musterknabe an Transparenz ist.
Gastautor: Norbert Haering, Frankfurt/Main, Zweitveröffentlichung aus seinem Blog norberthaering.de