Wie viele da draußen hoffen seit vier Jahren auf radikale Veränderungen in unserer Gesellschaft und auf so etwas wie einen revolutionsartigen Umschwung? Auf so etwas wie „Bumms“, jetzt ist alles Alte vorbei und ab jetzt wird alles neu? Darauf, dass irgendwelche Leute das organisieren und sagen, wo es lang geht?
Das ist jetzt echt blöd, denn so etwas hat auf diesem Planeten noch nie funktioniert. Dies wissen auch all die Unternehmen und noch schlaueren Berater, welche in tausenden Fällen den großen „Change“ in einer Firma angekündigt haben und dann ein Chaos hinterlassen haben, das alles noch übler als vorher gemacht hat.
Wandel vollzieht sich langsam und braucht Zeit. Wie auch ich, bis vor einiger Zeit, haben sich viele Menschen darin geirrt, die Wachstumsdynamik der Technik und der Vernetzung, inklusive aller daran hängenden Erscheinungen, auf den Wandel von Gesellschaften zu übertragen. Wir haben vermutlich erwartet, dass die „neue Welt“ bereits an die Tür klopft, und zwar mächtig und das alte System vor unseren Augen kippt. Im Grunde klopft sie wirklich, nur ist sie im Moment noch eher leise. Wer es hören und sehen will, kann es hören und sehen. Doch im Moment macht die alte Welt eben noch ein gewaltiges Getöse.
Wandel vollzieht sich auch immer von unten nach oben und nicht umgekehrt. Wer Wandel organisieren will, muss scheitern. Und zwar schlicht und einfach an der Psychologie und Persönlichkeit jedes einzelnen Menschen, der Teil des Plans ist. Menschen lassen sich nicht gerne zum Plan anderer Leute machen. Einige zu Anfang vielleicht, aber das ebbt schnell ab.
Wenn es Unternehmen wirklich erfolgreich gelungen ist, ihre Kultur zu wandeln, hin zu einer Kultur der Wertschätzung und des menschlichen Miteinanders, dann gelang das immer dann, wenn es von unten ausging. So ist es auch im ganz Großen, bei menschlichen Gesellschaften. Sie wandeln sich langsam von unten nach oben. Die vermeintliche „grüne Revolution“ vollzog sich nicht durch den Einzug der Partei der Grünen in den Bundestag und in die Regierung. Er vollzog sich seit 50 Jahren in Amtsstuben, Lehrerzimmern und auch sogar zum Teil in Unternehmen. Das merkst Du bei den Unternehmen, die heutzutage lieber Politik machen, als exzellente Produkte herzustellen. Und diese „Revolution“ wurde nicht geplant und organisiert, sondern sie war das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von (wieder) Psychologie und Persönlichkeit der Beteiligten sowie des Kulturraums, in dem sie sich entsprechend entwickelt und ausgebreitet haben.
Und genau so wird sich der Wandel vollziehen, in dem wir gerade sind. Es gibt keine Revolution und wenn es mal welche gab, dann haben diese noch nie etwas hervorgebracht, was besser war als das, was da bekämpft und beseitigt wurde.
Dass das alte System tatsächlich vor unseren Augen zerbröselt, können wir täglich sehen. Und es ist lange nicht mehr nur die Fassade, die da bröckelt. Da bröckelt es mächtig an der Substanz. Das ist jeden Tag zu sehen, wenn Du die entsprechenden Medien konsumierst und die Augen aufhältst. Heute habe ich z.B. gelesen, dass das Jobcenter in Bremen pleite ist. Nein, das ist kein Zeichen für die aufziehende Revolution, aber ein deutliches Zeichen dafür, dass es bereits mächtig im Gebälk kracht, in diesem alten, zerfallenen und dem Abriss geweihten Haus. Das ganze System ächzt und quietscht und läuft auf der letzten Rille. Die Kohle geht rapide aus, ihnen laufen die Bediensteten davon, über 80% der Leute haben keinen Bock mehr auf ihren Job und lassen es die Unternehmen und Behörden überdeutlich spüren, und der Personalmangel ist mittlerweile überall angekommen und lähmt die Organisationen. Ich könnte Dutzende weitere Beispiele aufführen – wer es sehen will, kann es sehen. Es geschieht nur eben nicht schnell und ruckartig, sondern langsam und in Wellen.
Was es also im Moment am meisten braucht, ist zunächst mal Geduld und eine gewisse Gelassenheit, die sich aus der Zuversicht speist, dass das von mir Beschriebene unausweichlich ist. Dies liegt wiederum eben in der Psyche und Persönlichkeit der Betroffenen und Beteiligten, am kulturellen Kontext und der sich daraus ergebenden Eigendynamik. Es braucht vor allem Leute, die bei sich selbst sind, klar sind, wer sie sind und was sie wollen (statt was sie nicht wollen) und denen im Leben die zwei wesentlichen Dinge bewusst sind, die sie antreiben: Das was sie machen und machen wollen und das, was sie nicht wollen und deshalb auch nicht mitmachen. Und Ideen für das eigene Leben, die nicht wieder jemand anderen benötigen oder sonst irgendwie abhängig sind. Wenn andere Leute Teil „Ihres Plans“ sind, haben Sie keinen Plan. Mehr braucht es gar nicht.
Wenn die 30 Mio. Ungeimpften z.B. allesamt so drauf wären, dann wäre hier in drei Tagen Schluss. Ohne Revolution, ohne Wahlen, und ohne, dass wieder jemand organisieren kann/soll/muss. Also könnte doch jeder daraus einfach eine Schlussfolgerung ziehen.
Autor: Dirk Hüther