Was hat Politik mit unserer Kindheit zu tun?
Was ein Kind aus den Erfahrungen mit seinen Bindungspersonen und seiner Interpretation dieser Erfahrungen mitnimmt, kann sich wie ein roter Faden durch sein Leben ziehen: zum einen die grundlegende Erkenntnis, dass es so, wie es ist, nicht „in Ordnung“, nicht „gut“ ist.
Sobald es also in der Lage ist, sein Verhalten zu reflektieren, wird es aus seinem immensen Bedürfnis nach Bindung und Sicherheit von außen versuchen, sich so zu verhalten, wie es vermeintlich von ihm erwartet wird. Und es beginnt ein Prozess der Verleugnung eigener Anteile, die offensichtlich von den Bindungspersonen als negativ bewertet werden und deren Ausleben aus Sicht des Kindes die Bindung gefährden könnten.
Des Weiteren ist das Kind permanent auf der Suche nach Sicherheit im Außen – sein frühkindlich geprägtes Nervensystem, das in einer idealen Welt durch empathische Begleitung von außen mehr und mehr in die Lage versetzt würde, sich selber zu regulieren, lernt dies in der realen Welt leider fast nie.
Das Kind verinnerlicht in seiner weiteren Entwicklung zur Sicherung seiner Bindung zu seinen Bezugspersonen also immer mehr Glaubenssätze, die wie innere Leitplanken dienen und ihm helfen, sich der Zuneigung seiner Bindungspersonen sicher zu sein. Das Fatale ist nun, dass sich dies bis in das Erwachsenenleben hineinziehen kann – die meisten von uns haben leider nie gelernt, uns adäquat selber zu regulieren, also Ängste, Verzweiflung, Einsamkeit, Wut etc. auszuhalten und angemessen zu verarbeiten.
Wir suchen permanent Sicherheit im Außen – und unsere Glaubenssätze sind eine dieser „Krücken“. Uns fehlt - ohne, dass wir uns dessen bewusst sind – die innere Reife und es liegt nun an uns, „nachzureifen“, wie es Raymond Unger so treffend bezeichnet. Gehen wir als unreife Individuen durch die Welt, lässt sich dies von Seiten der Politik wunderbar missbrauchen.
Wir werden aus meiner Sicht bewusst in einem unreifen Bewusstseinszustand gehalten und unsere permanent kindhafte Suche im Außen und bei „Erwachsenen“ in unserem Umfeld wird ausgenutzt. Sie („Mutti Merkel“, „Vater Staat“, „die Experten“) sagen uns, was wir zu tun haben und wollen uns angeblich helfen, indem sie uns wie Kinder behandeln.
Ist Ihnen schon einmal die heutzutage omnipräsente Infantilisierung aufgefallen? Wir werden überall geduzt, es gibt für jedes Thema plumpe Erklärbildchen und Videos in Kindersprache etc. Die Politik verwendet schwarze Pädagogik - also Strafe, Kontrolle, Demütigung, Einschüchterung und Gewalt - und die Bürger akzeptieren dies zu großen Teilen anstandslos („das ist alternativlos“, „die Maßnahmen dürfen niemals hinterfragt werden“ – aus den letzten Jahren gibt es hierfür unzählige Beispiele).
Die fehlende Selbstregulation, also die Fähigkeit, sehr belastende Gefühle auszuhalten und zu transformieren, und das permanente Suchen nach Bindung zum Garantieren der eigenen Sicherheit führen dazu, dass eine Hypermoralisierung der Gesellschaft als eine Art Ersatzreligion leichtes Spiel hat: Man verinnerlicht wie damals als Kind simple Glaubenssätze, die nicht hinterfragt werden dürfen, da sie „von oben“ kommen (Politik, Experten,..) und deren Nicht-Befolgung fatale Folgen hätte (Ausstoß aus der Gemeinschaft, Spott, Häme, Schuldzuweisungen etc.). Zum Beispiel sei man dann ein Klimaleugner, dem künftige Generationen egal wären, ein unsolidarischer Impfverweigerer, etc.
Aus meiner Sicht greifen diese Methoden nicht bei Menschen, die im wahrsten Sinne des Wortes erwachsen geworden sind – und ich möchte hier nochmals ausdrücklich betonen, dass dies nicht als Abwertung unserer kindlichen Anteile gelten soll, vielmehr sogar als eine Unterstützung und Stärkung dieser.
Erkennen wir mehr und mehr, welche Anteile von uns wir seit langer, langer Zeit unterdrücken und verleugnen, wenden wir uns unseren negativen Gefühlen empathisch zu und werden wir erwachsen - und damit unregierbar und resistent gegen Manipulation! Aus meiner Sicht gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen der Unwissenheit über Dinge, die in unserem Inneren wirken und uns unbewusst beeinflussen und dem Nicht-Erkennen finsterer Dinge in Politik und Gesellschaft. So, wie die Menschen nicht sehen können oder wollen, wie sie unaufgearbeitete Traumatisierungen, übernommene Glaubenssätze und das Verleugnen ihres wahren Ichs mit sich herumtragen, so wenig wollen oder können sie sich dem Gedanken öffnen, dass es Menschen mit viel Macht gibt, die sie skrupellos missbrauchen und ihnen ohne zu zögern aus sehr niederen Beweggründen schweren Schaden zufügen – es wäre viel zu schmerzhaft.
Je mehr wir wagen, uns unserem Inneren zuzuwenden, umso mehr Kraft gewinnen wir, um auch im Außen stark zu sein. Der Weg zur inneren Freiheit geht über unser Bewusstsein , also der Erkenntnis, was das Problem ist. Der zweite Aspekt ist Selbstregulation. Das bedeutet Wege zu erlernen, unser dysreguliertes Nervensystem zu regulieren. Und der dritte Aspekt ist die Aufarbeitung dessen, was uns möglicherweise in der Kindheit für unser Leben geprägt hat. Seien wir mutig – für inneren Frieden und eine friedlichere Welt!
Gastautorin: Dr. med. Imke Querengässer, Königsbach