Gastbeitrag von M. Maler aus Nordhessen

Ich bin Rundfunkbeitragszahler – nicht aus Überzeugung, sondern weil ich muss. Monat für Monat überweise ich eine Zwangsabgabe an ein System, das vorgibt, mich zu informieren, mir aber stattdessen zunehmend vorschreibt, wie ich zu denken habe. Wer den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einschaltet, spürt: Vielfalt klingt hier oft nur wie ein müder Slogan aus alten Reformpapieren. Doch das jüngste Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig gibt mir und Millionen anderer Gebührenzahler zum ersten Mal das Gefühl, dass wir nicht völlig machtlos sind.
Das Urteil – ein juristischer Dammbruch
Am 15. Oktober 2025 hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (Az. BVerwG 6 C 5.24) entschieden: Der Rundfunkbeitrag ist nicht bedingungslos.
Die Richter stellten klar: Nur wenn ARD, ZDF und Co. ihren gesetzlichen Auftrag zur Vielfaltssicherung tatsächlich erfüllen, besteht die Pflicht, Beiträge zu zahlen.
Mit anderen Worten: Keine Leistung – keine Zahlung.
Damit hat erstmals ein deutsches Gericht ausgesprochen, was viele Bürger längst empfinden: Der Rundfunk ist kein Selbstzweck. Wer ihn finanziert, hat Anspruch auf objektive, ausgewogene, vielfältige Berichterstattung.
Der Fall einer mutigen Frau
Die Klägerin, eine 84-jährige Frau aus Bayern, hat sich gegen den Bayerischen Rundfunk gewehrt. Unterstützt wurde sie von der Bürgerinitiative Leuchtturm ARD ORF SRG und dem Bund der Rundfunkbeitragszahler.
Sie verweigerte die Zahlung mit der Begründung, die Sender hätten ihren Auftrag „weder vielfältig noch staatsfern“ erfüllt. Statt unabhängiger Information lieferten sie Regierungsnarrative – ob in Corona-Fragen, der Energiepolitik oder der Außenpolitik.
Zwei Instanzen wiesen ihre Klage ab. Doch in Leipzig bekam sie endlich recht – wenigstens teilweise. Denn das höchste Verwaltungsgericht hob die Urteile auf und verwies die Sache an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurück. Dieser muss nun prüfen, ob der ÖRR tatsächlich über längere Zeit gegen den Grundsatz der Meinungsvielfalt verstoßen hat.
Vielfalt ist kein Luxus, sondern Bedingung
Die Richter legten fest: Nur wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk „über einen längeren Zeitraum gröblich und evident gegen Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit verstößt“, kann der Beitrag verfassungswidrig werden.
Die Schwelle liegt also hoch – mindestens zwei Jahre und systematische Defizite müssen nachgewiesen werden.
Aber die Richtung ist klar: Vielfalt ist nicht mehr bloß eine moralische Erwartung, sondern eine rechtliche Voraussetzung für die Beitragspflicht. Das bedeutet: Wenn Journalismus zur Propaganda verkommt, verliert der Rundfunk seine Legitimation.
Der Bürger als Kontrollinstanz
Das Leipziger Urteil gibt uns Bürgern ein Werkzeug in die Hand. Wir können künftig verlangen, dass Gerichte prüfen, ob der Rundfunk seinen gesetzlichen Auftrag erfüllt.
Damit wird das bisherige Prinzip – „Zahl erst, beschwer dich später“ – aufgebrochen. Wer das Gefühl hat, permanent einseitig informiert zu werden, darf diese Einseitigkeit nun gerichtlich überprüfen lassen.
Die Leipziger Richter betonen: Die Rundfunkanstalten haben keinen Beurteilungsspielraum, wenn es um Vielfalt geht. Es ist nicht ihre Aufgabe zu definieren, was ausgewogen ist. Diese Kontrolle liegt nun ausdrücklich bei den Verwaltungsgerichten.
Ein Warnschuss für die Sender
Für ARD, ZDF und MDR ist das Urteil ein Schuss vor den Bug. Der ARD-Vorsitzende Florian Hager reagierte demonstrativ gelassen und sagte, man ringe „täglich um Perspektivenvielfalt“. Doch viele Zuschauer erleben eine andere Realität: gleiche Gäste, gleiche Themen, gleiche Haltungen – ob bei „Anne Will“ oder „Maybrit Illner“, ob bei den Tagesthemen oder im Heute-Journal.
Das Urteil zwingt die Sender, ihre Selbstzufriedenheit zu verlassen. Denn es gilt nun, was Juristen seit Jahren fordern: „Staatsferne ist kein Gefühl, sondern eine Pflicht.“
Wofür wir zahlen – und wofür nicht
Das Bundesverfassungsgericht hatte 2018 geurteilt, dass der Beitrag pro Haushalt rechtmäßig sei, weil jeder die Möglichkeit habe, den ÖRR zu nutzen.
Doch das Leipziger Urteil dreht die Perspektive:
Wenn der Rundfunk seiner Aufgabe nicht nachkommt, fällt dieser „individuelle Vorteil“ weg – und damit auch die Grundlage der Beitragspflicht.
Als Gebührenzahler sage ich: Ich habe kein Problem damit, für unabhängigen Journalismus zu zahlen. Aber ich will keine Dauerbeschallung aus einer Meinungsecke. Ich will nicht, dass meine Gebühren genutzt werden, um Bürger in „gute“ und „böse“ Meinungen zu sortieren.
Die lange Spur der Einseitigkeit
Wer sich die Berichterstattung der letzten Jahre ansieht, erkennt ein Muster:
- Während der Corona-Zeit wurde Kritik an Lockdowns und Impfpflichten als „unsolidarisch“ diskreditiert.
- Beim Thema Ukraine hört man fast ausschließlich Stimmen, die Waffenlieferungen befürworten.
- Bei gesellschaftlichen Debatten werden traditionelle Werte reflexartig verdächtigt, während Aktivismus zur Tugend erhoben wird.
Das alles hat mit journalistischer Vielfalt wenig zu tun. Und genau hier setzt das Urteil an: Es gibt der Wahrnehmung vieler Bürger erstmals juristischen Rückhalt.
Ein Sieg für die Demokratie, (noch) kein Krieg gegen den Rundfunk
Niemand will den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen. Aber er muss zurückfinden zu seiner eigentlichen Aufgabe: dem Dienst an der Öffentlichkeit, nicht dem Dienst an der Macht.
Die Gründer der ARD hatten 1950 ein Ziel: den Bürger zu mündigen Entscheidungen befähigen. Heute geht es oft darum, ihn zu belehren. Das Urteil erinnert die Sender daran, wem sie wirklich verpflichtet sind – nicht der Regierung, nicht den Parteien, sondern den Menschen, die sie finanzieren.

Was jetzt folgen muss
Wenn Meinungsvielfalt Pflicht ist, braucht es messbare Kriterien:
- Externe Gutachten über Programmvielfalt und Staatsferne.
- Transparente Rundfunkräte, in denen Bürger vertreten sind, nicht nur partei- oder NGO-nahe Funktionäre.
- Ein unabhängiges Beschwerdesystem mit Entscheidungskompetenz, das ernsthaft prüft, statt Beschwerden zu archivieren und 99% davon zu verwerfen.
- Verpflichtende Berichte, monatlich erstellt, veröffentlicht, nachvollziehbar und überprüfbar.
- Gebührenentzug bei Verstößen: Wenn ÖRR-Sender gegen die im Medienstaatsvertrag geforderte vielfältige Berichterstattung verstoßen, dann muss dies sofort spürbare, monetäre Konsequenzen haben. Bereits der Versuch einer einseitigen Berichterstattung oder Kommentierung muss geahndet werden.
Nur so lässt sich das Vertrauen wieder aufbauen, das verloren gegangen ist.
Schlusswort – ein Signal der Hoffnung
Für mich als Beitragszahler ist das Leipziger Urteil ein Zeichen: Wir Bürger sind keine Störfaktoren, sondern die eigentlichen Auftraggeber.
Wenn ich schon gezwungen bin zu zahlen, dann will ich, dass mein Geld in Journalismus fließt, der alle Perspektiven abbildet – nicht in Meinungseinheit, PR und Belehrung.
Das Urteil ist (noch) kein Ende des Rundfunkbeitrags. Aber es ist der Anfang vom Ende der Arroganz und Ignoranz, mit der uns die Sender begegnen. Und vielleicht – ganz vielleicht – ist es der Beginn einer neuen Ära, in der der Rundfunk wieder das wird, was er sein sollte: eine Stimme für alle.