„Zwei Gabeln rechts, ein Staatsschutz links – Tischmanieren für Patrioten“

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Ein Glosse von Chris Barth

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(Beitrag als Podcast hören statt lesen? Hier entlang)

Wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eines kann, dann ist es stilvoll speisen – am liebsten mit Semantik als Vorspeise, Gesinnungspolizei als Hauptgang und einem feinen Linguistikparfait zum Dessert. Das „Gutachten zur AfD“ ist nicht einfach ein Text – es ist ein Tafelservice für diskursstrategische Feinfühligkeit. Es bietet eine exklusive Auswahl an verfassungsfeindlichen Wortsalaten, angerichtet mit einer Reduktionssoße aus Zitaten, Fußnoten und sozialpsychologischen Projektionen.

Schon auf Seite 4 wird klar: Hier wird nicht beobachtet – hier wird erzogen! Die AfD, so das Credo, hat nicht nur fragwürdige Inhalte, sondern falsche Wörter. Und das geht gar nicht. „Umvolkung“, „Kopftuchmädchen“, „Messerterror“ – das sind keine Begriffe mehr, das sind bald Waffen im Arsenal des ideologischen ABC-Schutzes. Einmal ausgesprochen, steht sofort das BfV mit Blaulicht und Bindestrich vor der Tür.

Die neue Kaste der Wortdetektive

Die Autoren dieses Meisterwerks sind keine Agenten – es sind Zitate-Sammler mit pädagogischem Ehrgeiz. Man hat das Gefühl, irgendwo im BfV-Keller sitzen Menschen, die seit Monaten nichts anderes tun, als Social-Media-Kanäle zu durchforsten, auf der Suche nach gefährlichem Sprachmaterial. Dort sitzen sie, mit Stirnlampe und Tippex bewaffnet, und murmeln:

„Aha! Er hat Remigration gesagt! Fünfter Treffer heute – das gibt eine neue Fußnote!“

Der Sammeleifer erinnert an Briefmarkenliebhaber mit einem Hang zu Verfassungskriminalistik. Man will beinahe hoffen, dass sie auch eine eigene Discord-Gruppe haben: „Stichwortjäger NRW“ oder „Ironie-Entschärfer 3000“.

Zählzwang im Dienst des Guten

Besonders bemerkenswert ist der Stolz, mit dem die Autoren darauf hinweisen, wie viele Menschen, Gruppen, Bezirksverbände und Jugendorganisationen sie in ihren Datenwannen gefunden haben. Insgesamt 353 Personen, 105 Funktionsträger, 31 Posts pro Woche, 1‘000 Seiten. Man wartet fast auf ein Bonus-Kapitel mit dem Titel:

„Sticker, GIFs und Emojis: Die unterschätzte Gefahr des subkutanen Rechtstextremismus im Telegram-Milieu.“

Wären die BfV-Angestellten Biologen, hätten sie längst eine eigene Insektenart nach sich benannt: Censorius linguistica domesticus – nachtaktiv, zitatenscheu, aber hochgefährlich für die Vielfalt der Meinung.

Wie man mit dem Wort „Messer“ das Grundgesetz verletzt

Kommen wir zum Highlight: der semantischen Kalaschnikow „Messer-Migrant“. Sie wird als so bedrohlich empfunden, dass man meint, beim Aussprechen explodiert ein Paragraph. Der Ausdruck „Messerstichkultur“ wird analysiert, als handele es sich um einen nuklearen Code.

Dabei zeigt sich die ganze Tragweite dieses Gutachtens: Es geht nicht mehr darum, was jemand meint, sondern was jemand sagen könnte, wenn man seinen Satz umdeutet, den Kontext weglässt, die Ironie ausblendet und dann noch dreimal auf der Stelle springt.

Und so entsteht eine neue Regel für Demokraten:
Wer einen metaphorischen Satz sagt, muss vorher einen Antrag beim Innenministerium stellen – samt Ironienachweis und Genehmigung zur stilistischen Grenzwanderung.

Die deutsche Sprache, dieses Biotop

Das Gutachten entwirft ein Bild, in dem das deutsche Wörterbuch als gefährliches Gelände erscheint. Wer sich falsch ausdrückt, tappt in Minenfelder aus „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“, „latenter Biologisierung“ oder „struktureller Volksverachtung“.

Ironie? Sarkasmus? Überspitzung? Gibt’s nicht! Im Zweifel für die Anklage. Figuren wie Lisa Fitz, Ludger K. oder evtl. sogar ein Dieter Nuhr hätten in diesem Sprachkosmos vermutlich schon Drohnenüberwachung ihrer Häuser zu erwarten.

Soros, Gates & der Great Reset – BfV-Sprech für Fortgeschrittene

Wirklich heiter wird es, wenn das BfV erklärt, warum Kritik an „George Soros“, „Bill Gates“, „Klaus Schwab“ oder dem „Great Reset“ automatisch antisemitisch sei – auch dann, wenn einige dieser Herren gar nicht jüdischen Glaubens sind, der Kritiker das gar nicht thematisiert und die Kritik sich auf politische Programme bezieht. Das Geheimnis liegt im „subtextuellen Code“ – einer Art Gesinnungspaläontologie, bei der das BfV aus harmlosen Sätzen versteinerte Gedankenverbrechen herausschleift. Wer also das „World Economic Forum“ erwähnt, muss wissen: Er meint Soros. Und wer Soros sagt, der will Pogrome. So einfach ist das, laut Handbuch für Umwegkommunikation, Kapitel „Latente Feindbilder durch indirekte Namenserwähnung“.

Besonders schön: Ein Zitat im Gutachten lautet:

„George Soros darf ich gar nicht mehr erwähnen, wenn ich ihn erwähne, bin ich schon im sogenannten Verfassungsschutzbericht.“

Und siehe da – zack, da war er auch schon drin. Man könnte fast meinen, das BfV selbst spiele Bingo: Wer genug Namen nennt, bekommt ein Kreuz. Fünf in einer Reihe, und du bist ein Verdachtsfall. „Great Reset“, „Global Governance“, „Impfpass“ – das ist für den Geheimdienst von heute, was für früher Spione Mikrofilme waren: Hinweise auf ein Weltbild mit dem falschen Logo. Dabei müsste man nur sagen: „Diese Aussagen wurden Ihnen präsentiert von der Gesellschaft zur Förderung richtiger Meinung™“. Dann wäre alles gut.

Compact-Münzgeld & Alice-Wechselkurs – wenn der Staat Satire so überhaupt gar nicht erkennen mag

In einem Land, in dem schon das Tragen eines falschen Huts unter Gesinnungsverdacht steht, wird selbst die Prägung einer Silbermedaille zur staatskritischen Großtat. Die Rede ist vom sagenumwobenen „Höcke-Taler“, geprägt vom Magazin „Compact“. Ein numismatisches Kleinod, das im BfV-Gutachten zwar schmerzlich fehlt, aber im Geiste mitschwingt – als patriotische Parallelwährung, die dem Euro trotzt und dabei noch mit volkstümlichem Schimmer glänzt. Man stelle sich vor: Beim nächsten Bäcker legt jemand statt Kleingeld einen Höcke-Taler hin – sofort klingelt beim Verfassungsschutz der Alarm. Denn spätestens, wenn der Taler auf der Rückseite ein Zitat trägt, das nicht von Nancy Faeser Alexander Dobrindt stammt, ist klar: hier wird umgedeutet, was in der Demokratie gefälligst staatlich genehmigt zu werden hat.

Noch absurder wird’s bei „Alice für Deutschland“ – ein Witz von Alice Weidel über Höckes umstrittenen Spruch „Alles für Deutschland“. Man hätte lachen können. Hat sie auch. Hat das Publikum auch. Nur das BfV nicht. Dort analysierte man eifrig die Semantik hinter der Semantik hinter der Ironie, um festzustellen: Das sei keine Distanzierung, sondern eine Verharmlosung mit Glitzer. Empfehlung für künftige Reden: Ironie bitte vorher bei der Bundesstelle für politische Satire registrieren. Vorschrift 38a, Absatz 5: „Ironie ist nur dann erlaubt, wenn sie sich gegen die AfD oder die deutsche Sprache richtet.

Zwischen Nanny-Staat und Narrativ-Polizei

Am Ende bleibt die Frage offen: Wer schützt uns vor dem Verfassungsschutz? Wer reguliert die Regulierer? Wenn Wörter zur Waffe erklärt werden und Wortwahl zur verfassungsrelevanten Handlung mutiert, dann ist der politische Diskurs nicht mehr frei – sondern freigegeben.

Das Gutachten liest sich wie das Drehbuch zu einer Dystopie in der ARD-Mediathek: „1984 Reloaded – Die Rückkehr der Satzbaubrigade“. In der Hauptrolle: Alexander Dobrindt als Semantik-Kommissar, flankiert vom „Kopftuchmädchen“-Sondereinsatzkommando.

Fazit: Lachen, solange man noch darf

Wir leben in einer Zeit, in der das Wort „Migrationshintergrund“ bald durch „herkunftsoffene Individualbiografie“ ersetzt wird – und wo „Systemkritik“ als gefährlicher gilt als Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe.

Und doch bleibt Hoffnung. Denn solange wir noch lachen dürfen über staatlich finanzierte Textverwirrung, solange wir noch Glossen schreiben können über ideologisch geglättete Meinungs-Gymnastik, solange ist noch nicht alles verloren.

Aber sicher ist sicher – diese Glosse wird sicherheitshalber in einfacher Sprache archiviert. Für spätere Verhöre!

Schenkungen – z.B. zum Kauf eines neuen, vorzeigbaren Bademantels – sind übrigens hier jederzeit möglich und ausdrücklich erwünscht: www.klartext-rheinmain.de/kontakt ;-)