Zwischen NATO-Treue und Souveränitätsverlust – Was Ruttes Nachricht an Trump bedeutet

von Redaktion — über |

Die Veröffentlichung einer privaten Nachricht von Mark Rutte an Donald Trump hat hohe Wellen geschlagen. Der künftige NATO-Generalsekretär lobt darin Trumps Iran-Angriff ausdrücklich und bedankt sich für dessen Druck auf Europa, mehr Geld für Rüstung bereitzustellen. Die Nachricht liest sich streckenweise wie eine Huldigung.

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Rutte schreibt, Trumps „entschlossenes Handeln“ habe mehr Sicherheit gebracht. Trump sei dabei, etwas zu erreichen, „was seit Jahrzehnten kein amerikanischer Präsident geschafft hätte.“ Europa werde nun endlich „zahlen“ – ein „Sieg“ Trumps. Formulierungen wie „BIG way“ wirken wie eine bewusste Anbiederung an Trumps Stil. Inhaltlich geht es um die „5-Prozent-Regelung“: das Ziel, dass NATO-Mitglieder 5 % ihres BIP für Verteidigung aufwenden.

Satiriker und EU-Abgeordneter Martin Sonneborn kommentierte die Veröffentlichung in harschen Worten. Hinter der polemischen Sprache steckt eine ernste Kritik: Die Nachricht verdeutliche, wie europäische Politiker bereit seien, außenpolitische Prinzipien über Bord zu werfen, um geopolitischen Erwartungen aus Washington zu entsprechen.

Sonneborn sieht darin ein Beispiel für den Verlust politischer Eigenständigkeit in Europa – und eine gefährliche Verschiebung der politischen Prioritäten. Er kritisiert insbesondere die Verlagerung öffentlicher Mittel in Richtung Aufrüstung, während soziale, ökologische und demokratische Projekte gleichzeitig unterfinanziert bleiben.

Die von Rutte angedeutete „Erpressung“ der NATO-Partner – durch Trump erreicht – ist in den Augen vieler ein Ausdruck transatlantischer Dysbalance. Kritiker werfen der NATO seit Langem vor, keine bloße Verteidigungsgemeinschaft, sondern eine mit der US-Rüstungsindustrie eng verbundene Struktur zu sein, die europäischen Staaten politische Spielräume nimmt.

Ruttes Nachricht sei, so Sonneborn, nicht bloß ein Einzelfall. Sie stehe exemplarisch für die strukturellen Machtverhältnisse innerhalb der NATO und die europäische Unfähigkeit, sich gegenüber den USA selbstbewusst zu positionieren.

Viele Fragen bleiben offen:

  • Wie souverän ist die europäische Außen- und Sicherheitspolitik noch?
  • Welche Rolle soll die NATO künftig spielen?
  • Sind 5 % BIP für Verteidigung (entspricht ca. 45 % vom Staatshaushalt!) politisch und gesellschaftlich vertretbar?
  • Welche demokratische Kontrolle gibt es über derartige Zusagen?

Fazit:

Ob Satire oder nicht – die Empörung über Ruttes Nachricht wirft ernste Fragen auf: Wie weit soll Europa bei sicherheitspolitischen Entscheidungen dem Kurs der USA folgen? Und wie können wir eine Außenpolitik gestalten, die Frieden, Sicherheit und demokratische Verantwortung wirklich in Einklang bringt? Rhetorische Schlussfrage: Wer entscheidet über Europas Rolle – gewählte Parlamente oder geheime Absprachen unter „Rüstungsnutten“?

Autor: Chris Barth