Chinesisches Sozialkreditsystem in Europa?

von Redaktion — über |

Im italienischen Bologna wird aktuell das erste europäische Sozialkreditsystem entwickelt.

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Mit Belohnungen bei dessen Regeleinhaltung werden hier Bürgerinnen und Bürger in dieses System gelockt. Mit der App unter dem Namen „Smart Citizen Wallet“ soll vom Herbst an den Bürgern das Sammeln von Tugendpunkten ermöglicht werden. Wer zum Beispiel Müll trennt oder den öffentlichen Nahverkehr nutzt, der erhält Auszeichnungen in Form von Punkten. Diese können dann wie herkömmliche Bonuspunkte für Waren und Dienstleistungen eingetauscht werden. „Die App ist natürlich freiwillig und die Bürger können mit der Nutzung nur gewinnen“, preisen die Behörden das Projekt. Wer kein Smartphone besitzt, wird von vornherein ausgeschlossen. Damit wird der Bürger erstmals in Europa sortierbar. Er wird eingeteilt in den guten, tugendhaften Bürger und den schlechten, zu tadelnden Bürger. Charakteristisch für derartige Projekte ist die krampfhafte Betonung der Datensicherheit, die angeblich an erster Stelle steht. Durch das Vortäuschen einer Datensicherheit sollen den zukünftigen Nutzern die Ängste vor Missbrauch des Systems genommen werden.

Ist ein solches System in Deutschland auch möglich? Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat im August 2020 die Studie „Zukunft von Wertvorstellungen der Menschen in unserem Land“ veröffentlicht. Diese untersucht sechs unterschiedliche Zukunftsszenarien. Darin enthalten - das Szenario "Das Bonus-System“.

So prognostizieren die Zukunftsforscher: „In den 2030er-Jahren beginnt in Deutschland ein digitales, partizipativ ausverhandeltes Punktesystem, das Anreize zur Verhaltensänderung bietet“. Im Zuge des Aufstiegs Chinas würde das Punktesystem als Instrument der Politiksteuerung weltweit mit einer Mischung aus Bewunderung und Ablehnung kontrovers diskutiert. Hierbei soll der Diskurs über eine grundsätzliche Politiksteuerung durch Punktesysteme mit Bonusanreizen mit demokratischen Spielregeln geführt werden. Hier soll in Zukunft, wie schon am aktuellen italienischen Beispiel erwähnt, das Prinzip der sogenannten Freiwilligkeit im Mittelpunkt stehen. Darin sind auch Hammersätze wie: „Ähnlich wie Nichtwählerinnen und -wähler müssen die, die freiwillig auf ihr Wahlrecht verzichten, nun auch im Punktesystem mit den Entscheidungen der Mehrheit leben.“ Die Verfasser der Studie geben hier freimütig zu, dass das sogenannte „Prinzip der Freiwilligkeit“ von den Gegnern des Punktesystems dann als „Augenwischerei“ bezeichnet werden würde. Stichwort Klima: Das Verursacherprinzip würde durch das Punktesystem transparent gemacht. Zudem erweise sich das Punktesystem, angesichts der dann mutmaßlich guten wirtschaftlichen Situation, als ein geeignetes Instrument für den zukünftigen Arbeitsmarkt, der von Fach- und Arbeitskräftemangel geprägt sei. Durch das Punktesystem würden Qualifizierungspotenziale erfasst, welche die räumliche Mobilität von Arbeitskräften effizient organisiert. Auf der anderen Seite entstehen daraus zukünftig neue Konflikte: So fiele es lt. Studie dann den „Dauerabgehängten“ schwer, niedrige Punktestände wieder auszugleichen. Das Punktesystem werde dann nur noch von einer Minderheit infrage gestellt, die sich in ihrer Position nicht repräsentiert sieht. Daher gäbe es immer wieder heftige und emotionale Debatten über die konkrete Ausgestaltung und Anpassung des Systems, „die mittels digitaler Direktdemokratie zur Abstimmung gestellt werden – und zugleich auch vor den Gerichten ausgefochten werden“.

Wie man die Bevölkerung in der Gegenwart sortiert, konnte die Bundesregierung anhand der aktuellen Impfpässe schon mal üben. Bleiben Sie wachsam!

Autor: Hans-Martin Müller