Die Qual (mit) der Wahl: soll man noch wählen gehen?

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Keine Rede ohne Gegenrede. Hier zwei Meinungen zum Thema WAHLEN!

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PRO Wählen!



Sicherlich fallen mir auch viele Contra-Punkte bezüglich „Wählen“ ein. Das ist klar!

Da ich Wahlen und Wählen differenziert betrachten möchte, beschränke ich mich in meinem Beitrag auf die Kommunalwahlen, die am 9. Juni 2024 in Baden-Württemberg (…und in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt; Anm. d. Red.) anstehen.

Es benötigt Menschen wie Sie und mich, die aktiv in unserer Gesellschaft mitwirken. Hier gibt es unterschiedliche Handlungsfelder, zum Beispiel das politische. Dies fängt in den unteren Ebenen der politischen Entscheidungsfindung an: Ortschaftsrat, Gemeinderat sowie Kreisrat. Hier geht es um die Belange vor unserer Haustüre.

Die Hürden und der Aufwand, sich für diese Wahlen aufstellen zu lassen, sind verhältnismäßig gering. Jeder – auch Sie - kann sich auf der Wahlliste einer Partei aufstellen lassen oder in sogenannten (nicht) mitgliedschaftlich organisierten Wählervereinigungen.

Vereinfacht gesagt: Es finden sich mehrere Menschen zusammen, erstellen eine Liste mit Kandidaten, reichen diesen Wahlvorschlag beim Kreiswahlleiter ein, erhalten Vordrucke für Unterstützungsunterschriften und kurzerhand ist jeder wählbar. Auch Sie.

Braucht es nur noch genügend Leute, die den Gang zur Urne tätigen, sodass eine entsprechende Anzahl an Sitzen in den Gremien gewonnen werden. Und schon können die gewählten Menschen aus unserer Mitte Einfluss nehmen. Hierzu drei konkrete Beispiele:

• Corona: Kaufen wir Luftfilter für unsere Schulen?
• Klima: Bauen wir Photovoltaik auf unsere Äcker?
• Gendern: Behalten wir unsere deutsche Sprache im Stadt- und Gemeindeblatt bei?

Fangen wir doch gemeinsam im Kleinen an. Hier und jetzt und vor unserer Haustüre.

Wir werden wohl keine Superreichen und Supermächtigen von irgendwelchen Spielchen und Plänen abhalten. Wir werden in den großen Medien kein allumspannendes „Gegen-Narrativ“ platzieren können.

Jedoch können und werden wir uns dem – selbst in der Kommunalpolitik vorherrschenden – Potpourri aus Vetterleswirtschaft, Gepfusche, Fraktionszwang und Top-Down-Politik stellen und anders sein. Machen wir es besser.

Gastautor: Marcus Rohrbach



Warum ich NICHT wähle!



Ich will zunächst auf das Wort selbst eingehen. „Wählen“ setzt voraus, eine Wahl zu haben. Wenn ich in einem Restaurant bin und ich darf großzügigerweise aus sieben Sorten Mineralwasser eines auswählen, dann ist diese Wahl ein Schwindel, wenn ich ein Bier will. Wenn ich zwischen Coca-Cola, Fanta, Sprite, Bonaqua und Mezzo Mix wählen darf, dann ist auch diese Wahl ein Schwindel, wenn ich ein Produkt will, dass nicht von Coca-Cola ist.

Volker Pispers (den ich bis vor dreieinhalb Jahren sehr geschätzt habe) hat es mal so formuliert, dass wir in einem Zug fahren, der auf einer einzigen Schiene immer weiter in Richtung Abgrund fährt und wir alle paar Jahre darüber entscheiden dürfen, welche Farbe die Uniform des Schaffners hat. Das ist keine wirkliche Wahl, sondern eine Scheinwahl. Wozu sollte ich mich beteiligen?

Betrachten wir es von der anderen Seite: Niemand hat es prägnanter ausgedrückt, als Horst Seehofer bei Erwin Pelzig in dessen Talkshow, als Seehofer sagte „Diejenigen, die gewählt sind, haben nicht zu entscheiden und diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt“.

Lassen wir uns diesen Satz mal auf der Zunge zergehen. Was genau wollen wir also mit einer Wahl erreichen, an deren Ende ein Ergebnis steht, das nichts damit zu tun hat, wer welche Entscheidungen für unser Land trifft?

Was wählen wir da überhaupt? Wir wählen ein Parlament und dieses Parlament wählt eine vermeintliche Regierung. Nur – wer macht denn wirklich die Gesetze in diesem Land und wer entscheidet wirklich über deren Umsetzung und Durchsetzung?

Die Verkehrspolitik wird von der Autoindustrie und ihren Lobbyorganisationen diktiert. Die Umweltpolitik von Umweltlobbyisten, die Finanzpolitik von Banken und Vermögensverwaltern wie Black Rock oder Vanguard. Es gibt kein Politikfeld, in dem nicht Lobbyisten (aus Industrie, Finanzwirtschaft oder Nichtregierungsorganisationen von Milliardären) das Geschehen bestimmen.

Was zum Teufel soll ich da noch wählen?

Also ist die Frage des Wählens oder Nichtwählens doch keine Frage des Einflussnehmens in der Außenwelt. Das haben wir doch gerade geklärt. Nein, es dient lediglich der mentalen Selbstbefriedigung und der Hoffnung, dass sich an diesem System auf diese Weise etwas verändern lässt, wo gar kein Spielraum für Veränderung ist.

Ich stelle mir viel mehr vor, dass wir ein Volk von Unregierbaren werden. Denn warum zur Hölle brauchen Menschen überhaupt jemand, der sie regiert? Ich brauche keine solchen Leute und ich kenne viele Leute, die auch keine brauchen. Wären wir alle selbstbestimmt und selbstermächtigt, bräuchte es keine Regierung und keine Wahlen. Daran möchte ich arbeiten. Diese Arbeit findet nur auf einem anderen Spielfeld statt, als alle paar Monate oder Jahre an einer Wahlurne.

Autor: Dirk Hüther