Eine Lehrstunde in Sachen «Staat und Demokratie»

von Redaktion — über |

Der US-amerikanische Vizepräsident J.D. Vance muss einen wunden Punkt getroffen haben. Nur so lassen sich die teilweise hysterischen Reaktionen auf seine zwanzigminütige Rede vom 14 Februar vor dem Publikum der Münchner Sicherheitskonferenz erklären. Der amtierende und der Möchtegern-Bundeskanzler Scholz und Merz zeigten sich entrüstet. Von einem Bruch der transatlantischen Beziehungen, von Übergriffigkeit und Irritation war die Rede.

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Bei nüchterner Betrachtung erhält die Rede allerdings keinen einzigen Satz, der einen solchen Aufschrei rechtfertigen würde. Im Gegenteil, alles, was Vance sagte, gilt unter Demokraten als Selbstverständlichkeit. Das gilt bereits für den Satz: «Wir müssen mehr tun, als nur über demokratische Werte zu reden. Wir müssen sie leben.» - Wer könnte dagegen etwas einzuwenden haben?

Vance zeigt sich besorgt die Bedrohung über die Demokratie von innen. Der Rückzug Europas von einigen seiner grundlegendsten Werte: Werte, die es mit den Vereinigten Staaten von Amerika teilt. Weiter zeigte sich der Amerikaner erstaunt darüber, dass sich EU-Funktionäre ganz offen darüber freuen, Wahlen je nach Ausgang gutzuheißen oder zu kassieren. Als Beispiel führte er Rumänien, warnte aber davor, dass Ähnliches auch in Deutschland passieren könnte.

Was Vance über Demokratie sagte, entspricht genau dem, was auch auf der Website der «Bundeszentrale für politische Bildung» Nachzulesen ist: In einer Demokratie geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Die Demokratie lebt vor allem von den Bürgerinnen und Bürgern, sie sind die Basis der Staatsgewalt. In Wahlen und Bürgerentscheiden, durch gesellschaftliches und politisches Engagement, und durch ihr Interesse für die diskutierten Themen legen sie die Grundlage für einen funktionierenden Staat.

Und weiter: «Jede staatliche Machtausübung muss durch das Volk legitimiert sein. Die staatlichen Organe müssen entweder, wie die Parlamente, aus Volkswahlen hervorgehen oder, wie die Regierung und die von ihr berufene Verwaltung, von den gewählten Repräsentanten eingesetzt werden. Die Amtsinhaber sind dem Volk bzw. seinen Repräsentanten verantwortlich und können aus ihrem Amt entfernt werden.»

Das heißt: Die Bürger kontrollieren den Staatsapparat und nicht umgekehrt.

Das brachte Vance zum Kern seiner Ausführungen. Er zeigte sich besorgt über den leichtfertigen Umgang mit Zensurmaßnahmen, er fürchte, die Redefreiheit befinde sich auf dem Rückzug. Anhand mehrerer Beispiele kritisierte er das Bestreben der Regierenden in Europa, das Volk, von dem in einer Demokratie alle Staatsgewalt ausgeht, insbesondere im Internet zu kontrollieren und zu lenken. Und, als hätte er eine Klasse Pennäler vor sich, erinnerte er das Publikum daran, dass eine Demokratie auf dem heiligen Grundsatz beruht, dass die Stimme des Volkes zählt. Es gebe darum keinen Platz für Firewalls. Entweder man hält sich an den Grundsatz oder nicht. Das Volk hat eine Stimme.

Doch Vance stieß in seinem Demokratie-Unterricht noch weiter in die Tiefe: Er konstatiere zwar, dass viel von der Verteidigung der Demokratie geredet werde, doch dann stellte er sinngemäß die Gretchenfrage: Wissen Sie überhaupt, was es zu verteidigen gilt? Welche positive Vision steckt hinter diesem gemeinsamen Sicherheitspakt, den wir alle für so wichtig halten?

Angesichts der offenkundigen Migrationskrise zeigte sich Vance zutiefst überzeugt davon, dass es keine Sicherheit geben könne, wenn man Angst vor den Stimmen, den Meinungen und dem Gewissen hat, die das eigene Volk leiten.

Damit war Vance zum Kern eines jeden Gemeinwesens vorgestoßen. Er stellte die Frage nach dem Zweck. Haben die Politiker das Volk nach ihren eigenen Vorstellungen zu formen und zu leiten, oder haben sie dafür zu sorgen, dass möglichst jeder nach seiner Façon glücklich werden kann? In einer Demokratie ist die Antwort klar, in der EU scheinen die Verhältnisse auf den Kopf gestellt. Und es sind deren Anhänger, die sich über Vance und den neuen Sheriff in Washington aufregen.

Es war keine kämpferische Rede. Sie rückte lediglich einige Selbstverständlichkeiten zurecht, die noch vor wenigen Jahren auch als Selbstverständlichkeiten betrachtet worden sind.

Zum Schluss seiner Rede brachte Vance auch noch den religiösen Aspekt ins Spiel, der, obwohl Grundlage der europäischen Zivilisation, von der EU konsequent verdrängt wird. Wörtlich führte der zum Katholizismus konvertierte Vizepräsident aus:

«An die Demokratie zu glauben bedeutet zu verstehen, dass jeder unserer Bürger weise ist und eine Stimme hat. Und wenn wir uns weigern, auf diese Stimme zu hören, werden selbst unsere erfolgreichsten Kämpfe nur sehr wenig bewirken. Papst Johannes Paul II., meiner Meinung nach einer der außergewöhnlichsten Verfechter der Demokratie auf diesem oder einem anderen Kontinent, sagte einmal: „Habt keine Angst“. Wir sollten keine Angst vor unserem Volk haben, auch wenn es Ansichten äußert, die nicht mit denen seiner Führung übereinstimmen. Ich danke Ihnen allen. Ich wünsche Ihnen allen viel Glück. Gott segne Sie.»

An dieser Rede kann sich nur stören, wer den Zentralismus der EU über die Demokratie und die Interessen der Bevölkerung seines eigenen Landes stellt, wer die europäische Zivilisation durch ungebremste Zuwanderung zerstören will, oder wer glaubt, es lasse sich ein Staat aufbauen, der ohne ein im weitesten Sinne religiöses Fundament auskommt, aus dem sich die wahren Werte ergeben.

Gastautor: Claudio Zanetti, Zweitveröffentlichung vom ZAAVV