Rede von Eugen Drewermann anlässlich der Friedenskundgebung vor der Wiesbadener Clay-Kaserne vom 28.12.2024
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich sagen: liebe Freundinnen und Freunde des Friedens!
Ich bin Ihnen sehr dankbar für ihren Protest, den sie in Wiesbaden gegen die Kriegsertüchtigung und die immer weitere Ausrüstung Deutschlands leisten, denn wir dürfen so nicht weiter machen, wie unsere Politik derzeit gebieten will. Wir müssten „immer stärker werden“, „immer kampfbereiter werden“, „wir müssen der Ukraine immer schlimmere Waffen liefern“. Im Gegenteil: wir müssen damit aufhören, dass das was wir Politik nennen, auch im neuen Jahr das bleibt, was es immer war: eine ständige Ausdehnung von Angst, von Grausamkeit, von Mordbereitschaft, von der Fähigkeit über Leichen hin wegzugehen und auf den Friedhöfen zu reden vom Frieden.
Mit dieser ganzen Konzeption dessen, was wir Politik nennen, muss es ein Ende haben. Unsere Sicherheit geht nicht durch die Angst hervor, die wir dem anderen machen. Durch immer schrecklichere Mordgeräte. Die Sicherheit, die wir brauchen, kann nur hervorgehen aus einem Vertrauen, dass wir wechselseitig einander entgegenbringen.
Dann hören wir sagen: „Aber nein, Putin kann man nicht vertrauen - er lügt - er ist ein Verbrecher“. Wenn wir den Gegner, den wir selber aufbauen, in der Art dämonisieren, dass wir mit dem gar nicht mehr reden können, haben wir eine Politik, die nur noch Krieg weiterführen kann und dann über die Leichen gehen muss, damit man am Ende einen „Siegfrieden“ in die Geschichte einführt: also unseren Triumph. Kein Frieden kann hervorgehen aus diesem Konstrukt der Politik: Angst gegen Angst setzen. Rüstung gegen Rüstung. Immer schlimmere Waffen eingesetzt gegen Menschen, deren Leben wir vernichten in immer größerer Zahl und immer furchtbarerer Konzeption und Kapazität. Am Ende sind wir nur noch groß mit den schlimmsten Waffen. Nur als Besitzer von Wasserstoffbomben sind wir eine Großmacht? In Wirklichkeit sind wir klein, gemein, niedrig, unmenschlich.
Und das sagen wir in Wiesbaden heute: Das lassen wir mit uns nicht machen!
Wir fürchten nicht um unsere Sicherheit, nur damit diese auch gefährdet wird. Atomwaffen könnte man noch in Mitteleuropa einsetzen und damit wären wir dann selbst betroffen. Natürlich kann das aus dem Ukrainekrieg uns erwachsen. Wir weigern uns, diese Politik zu akzeptieren, damit wir Menschen bleiben. Denn das, was uns da verordnet wird unter dem Stichwort der Verantwortung, der Ausrüstung, der besseren Bewaffnung, ist die Unmenschlichkeit selber. Und wir weigern uns, dass man Unteroffiziere oder Offiziere der Bundeswehr in die Schulen schickt und 16-jährigen Jungen und Mädchen beibringt, „Verantwortung in der Außenpolitik“ würde bedeuten: „Du musst lernen, wie man Menschen tötet, effizient mit den besten Waffen, die wir dir zur Seite stellen.“
Wir weigern uns, das zu akzeptieren. Wir sagen NEIN dazu! Und wir bewahren uns als Menschen in dem Verweigern Verantwortung in dieser Tötungsbereitschaft hinzunehmen.
Verantwortlich miteinander zu handeln ist: Gemeinsamkeit des Friedens durch alle und eine Politik der Versöhnbarkeit, des Austauschs, des Verhandelns. Muss ich sagen, dass der Papst in Rom genau das gerade sagte: „Stillstand des Waffengebrauchs durch Verhandlungen“. Wir müssen miteinander reden. Eine andere Form von Frieden ist nicht denkbar. Also müssen wir den anderen als Verhandlungspartner akzeptieren. Und dann sollten wir mal schauen, wie wir selbst überhaupt dahin kommen sind, Krieg in der Ukraine zu haben. Er wäre vermeidbar gewesen. Es hat nicht an Einladungen und Aufträgen gefehlt. Wir wollten sie nicht. „Die NATO ist stark genug“. „Sie kann abschrecken“, haben wir geglaubt. „Sie ist überhaupt eine Friedensarmee, vor ihr muss niemand Angst haben“. Vor ihr hat man aber Angst!
Wir hätten Frieden haben können, 1989, als Geschenk aus den Händen eines Russen. Wir hätten 2001, als Putin im Bundestag in Berlin gesprochen hat unter Standing Ovations, den Frieden als Angebot haben können. 2005 als Schröder mit Putin redete in Königsberg, der Stadt Immanuel Kants. Immer wieder hätten wir Frieden haben können bis 2007, als Putin in München davor warnte, wir kehrten zurück in den Kalten Krieg. Wir wollten das nicht! Und dem müssten wir Widerstand leisten. Nicht darauf warten, dass er von außen kommt von China, von Russland. Sondern durch uns selber!
Und deshalb bin ich dankbar, dass sie vor der Clay-Kaserne stehen in Wiesbaden und NEIN sagen zur Aufrüstung durch NATO und die Amerikaner. Als Deutsche haben wir das Recht des selbständigen Denkens und in der Selbständigkeit und Mündigkeit eines eigenen Staatsgebildes NEIN zu sagen, durch die Nutzverzweckung immer größerer Kampfhandlungen. Inzwischen sollen wir nicht nur im Pazifik, sondern direkt vor China die Einkreisungspolitik der Amerikaner gegen den neuen Gegner unterstützen. Wir haben das nicht nötig!
Wir könnten mit China im Handel leben. Wir könnten mit Russland Handel führen. Wir könnten Preise senken, in Gemeinsamkeit. Wir könnten die Probleme der Dritten Welt endlich lösen. Wir könnten tatsächlich für das Klima das tun, was nötig wäre, durch schonenden Umgang mit der Natur. All das soll nicht sein, weil wir ja siegreich sein müssen. Da rufen wir im Namen aller Kreaturen, die wir dabei sind zu zerstören, zu vernichten, der Urwälder, die wir beseitigen, der Probleme der Länder der sogenannten Dritten Welt mit Millionen von Hungertoten. NEIN, zum Krieg. JA, zum Frieden. JA, zur Humanität untereinander. Es gibt kein Weltreich, dass wir unipolar in Anspruch nehmen könnten. Es gibt nur eine Gemeinsamkeit des Menschlichen in Vereinbarkeit des Gesprächs miteinander.
Ich unterstütze Sie von vollem Herzen und ich wünsche, dass sie so weitermachen!
Eugen Drewermann, Theologe, Autor und Friedensaktivist
Transkribiert aus der Livestream-Videoquelle von der Demonstration vor der Clay-Kaserne am 28.12.2024