NUR EIN MÄRCHEN

von Redaktion — über |

Die folgende Geschichte ist fiktiv und hat weder absichtlich noch zufällig irgendetwas mit tatsächlich lebenden oder ehemals lebenden Personen zu tun. Nein, das hier ist nur ein Märchen und wie alle Märchen beginnt auch dieses mit den Worten...

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Es war inmal ein Prinz, der hieß der kleine Fritz. Er war nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen, sah auch nicht wie ein stattlicher Prinz aus, sondern eher wie ein Tagelöhnender. Und auch sonst gab es einfach nichts an ihm, worauf seine Eltern hätten stolz sein können. Doch er war nun mal der Prinz und der Prinz sollte eines schönen Tages den Thron eines reichen und erfolgreichen Landes erben, des Königreichs Absurdistan. Um die Thronfolge antreten zu können – so schrieb es das Gesetz vor – musste der Prinz sich mit einer Prinzessin vermählen. Als er in das heiratsfähige Alter kam, warben auch schon verschiedene Königshäuser um die Gunst des Prinzen und vor allem seiner Eltern.

Da war die rote Lisa. Hässlich wie die Nacht, ungehobelt und vor allem war sie eine ausgewiesene Schnorrerin mit unglaublich schlechten Manieren. Dann war da die grüne Hilde. Nicht minder hässlich und unangenehm im Auftreten. Hinzu kam ihre Neigung, andere gerne zu dominieren. Da sie dies nicht anders kanalisieren konnte, ergötzte sie sich immer wieder daran, Untertanen zu knechten und foltern zu lassen. Andere Bewerberinnen standen auch zur Wahl, nur waren sie für das Königshaus von so geringer Wichtigkeit, dass der Hof sie einfach links liegen ließ. Und da war noch die blaue Gabriele. Weder hatte sie die Schönheit von Schneewittchen oder Aschenputtel, noch die Cleverness von Rotkäppchen. Aber sie war eine gute Partie. Sie sah ansehnlich aus, hatte ordentliche Manieren und sie konnte tatsächlich mehrere zusammenhängende Sätze formulieren. Für den Prinzen hätte sie wirklich gut gepasst, hätte sie ihm doch sogar ein wenig Glanz verliehen. Doch der Prinz weigerte sich die blaue Gabriele auch nur anzusehen. Stattdessen ließ er sich von den anderen Prinzessinnen einflüstern: „Schau nicht auf Gabriele, sie ist eine hässliche Fratze“, oder „sprich nur nicht mit Gabriele, sie ist eine geifernde Hexe“. Einige Bewerberinnen meinten sogar die blaue Gabriele sei vom Teufel besessen und wolle das Königreich zerstören.

Und so glaubte der kleine Fritz all die Geschichten, sah Gabriele nicht an, sprach nicht mit ihr und konnte sie so auch nicht kennenlernen. Im ganzen Reich galt die blaue Gabriele als verpönt und unmöglich und keiner wollte sich mit ihr beschäftigen.

Da nun aber eine Hochzeit stattfinden musste, kam der kleine Fritz nicht umhin, eine der Werbenden zu heiraten und so biederte er sich den beiden verbliebenen Damen an. Die rote Lisa zwang ihn dazu, sich öffentlich die eigenen Eier abschneiden zu lassen und der kleine Fritz dachte sich „wo nichts ist, kann man auch nichts abschneiden“. Also heiratete er die hässliche rote Lisa. Da er aber noch das Einverständnis der grünen Hilde benötigte, um auch die letzten Zweifler von seiner Absicht unbedingt den Thron zu erben zu überzeugen, nahm er die grüne Hilde zu seiner Konkubine. Diese durfte ihn dafür auch zweimal die Woche in ihrem Folterkeller einer Spezialbehandlung unterziehen und sie durfte auch die wesentlichen Entscheidungen im Staat treffen. Das kam dem kleinen Fritz sehr entgegen, entsprach es doch seiner Neigung, sich auspeitschen, demütigen und bloßstellen zu lassen. Außerdem interessierte er sich so überhaupt nicht für die Belange des Reiches. Alles was er jemals wollte, war dass er sich einmal endlich König nennen lassen durfte und dafür war er bereit alles zu geben, auch das letzte Stückchen Würde, das ihm noch verblieben war.

Dann kam die Hochzeit. Noch am selben Abend, fesselte ihn die grüne Hilde in ihrem Keller und eröffnete ihm, dass er ab jetzt nur noch einmal die Woche für eine Stunde Freigang hätte und ansonsten den Rest seiner Tage in diesem Verlies zu verbringen hätte. Die rote Lisa vergiftete die Eltern des Königs und organisierte die Thronfolge und die Inthronisierung des kleinen Fritz, bei der er für einen Tag König spielen durfte. Danach hat man ihn nicht mehr gesehen.

Vielleicht hätte dieses Märchen damit geendet, dass die rote Lisa und die grüne Hilde fortan das Reich terrorisierten und der kleine Fritz ab und an mal fähnchenschwenkend bei Paraden anwesend war. Vielleicht aber auch kam eines Tages ein anderer Prinz an den Hof, der behauptete der ältere Bruder des kleinen Fritz zu sein und der seine legitimen Ansprüche auf den Thron anmeldete. Dieser war beim Volk beliebter, das von den Taten der beiden Reichsverweserinnen bereits ächzte. Und dieser Prinz schaute auf die blaue Gabriele und sagte zu ihr: „Ich werde Dich zur Frau nehmen und wir werden gemeinsam das Land zu neuer Blüte führen“. Vielleicht gelang es den beiden auch die hässlichen Hexen vom Hof zu vertreiben und den kleinen Fritz dorthin zu bringen, wo er hingehörte und wo es ihm besser ging: In ein Heim für Debile.

Vielleicht, Vielleicht, Vielleicht. Und vielleicht ist das auch einfach nur eine Geschichte, die sich jemand ausgedacht hat.

Autor: Dirk Hüther

Anm.d.Red.: Diesen Artikel und einen Essay vom Autor zum Thema „Wozu (überhaupt noch) Demokratie?“ gibt es hier bei uns online: link