Wenn die Rechtsauffassung eines deutschen Amtsgerichtes auf einmal dem Genfer Gelöbnis widerspricht

von Redaktion — über |

Am 24.11.2022 und 02.01.2023 fand in Weinheim am Amtsgericht die Verhandlung gegen Fr. Dr. Monika Jiang statt. Angeklagt war die Weinheimer Ärztin für das Ausstellen von 4.374 Maskenattesten.

Verurteilt wurde sie dafür, alle diese Atteste ohne körperliche Untersuchungen herausgegeben zu haben, auch wenn das Gericht dazu keine Beweisaufnahme erhob. Am Ende des zweiten Verhandlungstages verkündete die Richterin das unglaubliche Urteil von 2 Jahren und 9 Monaten Gefängnis ohne Bewährung plus 3 Jahre Berufsverbot, das (vorläufig) ab sofort gilt. Beide Seiten kündigten Berufung an.

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Frau Dr. Jiang mit einem ihrer Anwälte vor dem Weinheimer Amtsgericht

Da es eine öffentliche Verhandlung war, fanden sich bereits am ersten Prozesstag viele Interessierte vor dem Amtsgericht ein, um als Zuhörer dabei zu sein. Jedoch wurden nur sechs (!) Zuschauer hineingelassen. Die wenigen Presseplätze waren für vorselektierte Pressevertreter reserviert. Auch am Verhandlungstag im Januar durften nur sieben Zuschauer in den Gerichtssaal. Trotz frühzeitiger Anmeldung wurden wiederum die Vertreter der alternativen Medien – darunter auch Chris Barth, der Herausgeber von KLARTEXT Rhein-Main – ausgeschlossen. Dennoch erreichten uns über eine unserer Mitstreiterinnen Informationen direkt aus dem Gerichtssaal.

Diese wiederholte Einschränkung der Öffentlichkeit auf Geheiß der Amtsdirektorin, die gleichzeitig Richterin war, ist kritisch zu sehen, ist doch der Öffentlichkeitsgrundsatz ein elementarer Grundsatz im Strafverfahrensrecht! Die Begründung, dass „Corona nicht vorbei sei“, kann nicht ausreichen, denn die wesentlichen Aspekte sind vom Gesetzgeber geregelt. Eine weitere Einschränkung kann kaum mit Hausrecht begründet werden. Zudem offenbart sich die Richterin mit ihrer offensichtlich zur Schau gestellten Angst vor einer Erkrankung klar als befangen in ihren Entscheidungen. Weitere Aussagen bzgl. der erkrankten Verteidigerin, sowie ein Schild am Eingang des Gerichtssaals, das zum Tragen einer Maske auffordert, bestärken diesen Eindruck.

Inhaltlich wollten sich Staatsanwältin und Richterin ausschließlich mit der angeblich verpflichtenden körperlichen Untersuchung zum Ausstellen der Atteste beschäftigen. Dabei sollten die medizinischen Hintergründe völlig unberücksichtigt bleiben. Diese Linie setzte das Gericht während der gesamten Verhandlung fort und auf dieser vermeintlichen Grundlage fiel auch das Urteil. Dass jedoch ein Attest, welches ohne körperliche Untersuchung ausgestellt wurde, nicht automatisch unrichtig ist, haben bereits das bayrisches OLG und das OLG Zweibrücken festgestellt. Auch der BGH definiert: „... In der Regel ist eine körperliche Untersuchung zur Befundung durchzuführen...“ Was im Umkehrschluss bedeutet, dass es unter bestimmten Bedingungen Ausnahmen gibt, bei denen diese Untersuchung entfallen kann. Mindestens genau diese Bedingungen wären mit Hilfe von fachlichen Gutachten festzustellen gewesen!

Wie kann das Ausklammern der medizinischen Hintergründe, also aller fachlichen, inhaltlichen und berufsethischen Argumente wie sämtliche Studien (bspw. das 191-seitige Expertengutachten voller interdisziplinärer Überlegungen von Dr. Traindl vom 22.10.2022) zur Effektivität der Masken, bzw. deren schädlichen Wirkungen (z.B. u.a. der Fögen-Effekt), sowie des Genfer Gelöbnis, dem sich jeder Arzt verpflichtet fühlen sollte und welches der Berufsordnung von Baden-Württemberg vorangestellt ist, einer Beweisaufnahme in dem rechtlich notwendigen Rahmen überhaupt entsprechen? Sind nicht bei jeder Beweisführung immer auch die (entlastenden) Umstände zu berücksichtigen? Auf welcher Grundlage soll eine gerichtliche Entscheidung fallen, wenn die sachlichen Argumente ausgeblendet werden?

Das „Netzwerk kritischer Richter und Staatsanwälte“ (Krista) hat bereits am 08.04.2022 einen 40-seitigen Artikel mit dem Titel „Körperverletzung durch Masken? - Zu Fragen der Remonstration und Strafbarkeit bei der Durchsetzung von Maskenpflichten“ veröffentlicht. Wenn nun der Staat solche potenziell strafbaren und für den einzelnen gesundheitsschädlichen Verordnungen erlässt, sollte dann nicht jeder Arzt seine Patienten nach bestem Wissen und Gewissen vor Schaden bewahren? Genau so steht es doch im Genfer Gelöbnis: „Die Gesundheit und das Wohlergehen meiner Patienten werden mein oberstes Anliegen sein“ und „Ich werde, selbst unter Bedrohung, mein medizinisches Wissen nicht zur Verletzung von Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten anwenden.

In der Presseerklärung des Amtsgerichts Weinheim heißt es dagegen: „Hintergrund (für das Ausstellen der Atteste) sei – so die Anklage – die politische Einstellung der Angeklagten, die die gefestigte Ansicht vertreten habe, die zur Einschränkung der Ausbreitung des Corona-Virus durch Bund und Länder erlassenen Gesetze und Verordnungen seien nicht geboten und würden die Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger unangemessen einschränken. Insbesondere gegen die Pflicht zum Tragen einer Mund – Nasen – Bedeckung habe sich die Angeklagte wiederholt öffentlich auf Demonstrationen gegen die geltenden Corona – Maßnahmen (...) ausgesprochen.

Auch die Staatsanwältin unterstellt Fr. Dr. Jiang in ihrem Plädoyer die „...Torpedierung der von der Regierung erlassenen Maßnahmen...“ und offenbart damit das eigentliche Vergehen der Ärztin, nämlich gegen die von der Regierung erlassenen Verordnungen, in diesem Fall die Maskenpflicht, zu sein. Wie kann es allerdings sein, dass Verordnungen zum Konflikt mit der Berufsordnung führen?

All diese Aussagen, der formale Ablauf und die Inhalte der Verhandlung, die Verurteilung wegen angeblich 4.374 widerrechtlich ausgestellten Attesten – von denen jedes einzelne zu überprüfen gewesen wäre – die offensichtliche Angst der Richterin, die sie mit Sicherheit in ihrem Urteil beeinflusst hat, die konsequente Ablehnung aller sachlichen, fachlichen, medizinischen und ethischen Argumente, erwecken stark den Eindruck einer politisch motivierten Justiz. (Ein weiterer Artikel von Krista vom August 2022 beschreibt die politisch gefärbten Dimensionen der Verfolgung von Maskentatbeständen.)

Der acht Seiten umfassende Beschluss zum sofort wirksamen vorläufigen Berufsverbot, in dem die tatsächliche Begründung auf einer knappen Seite zu lesen ist, geht in dieselbe Richtung. Darin heißt es: „(…) die zahlreichen, aus dem Verhalten der Angeklagten resultierenden Sympathiebekundungen der Anhänger der Angeklagten, die sich nicht nur vor dem Gerichtssaal zahlreich versammelten und Sprechchöre erhoben haben, (…) zeigen, dass sich die Angeklagte Dr. Jiang auf einer Art Kreuzzug gegen die Coronamaßnahmen befindet. (…) Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Angeklagte Dr. Jiang ohne vorläufiges Berufsverbot ihr rechtswidriges Verhalten fortsetzen und ihre Stellung als Ärztin ausnutzen wird, um ähnlich gelagerte Straftaten zu begehen. (…) Für diesen Fall ist sicherzustellen, dass die Angeklagte nicht erneut ihrer Überzeugung entsprechend die Maßnahmen des Gesetzgebers zur Eindämmung der Corona-Pandemie in ihr möglichem Umfang ad absurdum führt und so ein Gefährdungspotenzial für die Gesundheit zahlreicher Menschen sowie für die Überlastung des Gesundheitssystems setzt, indem sie ihre Stellung als Ärztin rechtswidrig ausnutzt.

Na sowas! Da hat doch die Ärztin gedacht, die Berufsordnung wäre dem Gesetz vorrangig und es sei wichtiger sich an diese fachlichen und ethischen Grundsätze zu halten, als den von der Regierung verhängten Verordnungen zu folgen. Dass die Berufsordnung, auf die sie feierlich gelobt hat, ihr geboten hat, die Gesundheit ihrer Patienten zu schützen und sie von der Pflicht zum Tragen einer gesundheitsschädlichen Maske zu befreien. Die Richterin jedoch verlangt, dass sich Fr. Dr. Jiang an andere Gesetze hält. Was sind das dann für Gesetze, die nicht mit der Berufsordnung konform gehen? Sind das Gesetze, die krank machen?

In der Begründung zitiert die Richterin das komplette alte Corona-Narrativ mitsamt der bereits durch den Bericht der Evaluierungskommission auf der Basis von Paragraph 5 Abs.9 IfSG widerlegten Annahme, die C-Maßnahmen seien wirksam und notwendig. Des Weiteren blendet die Richterin aus, dass das Gefährdungspotenzial für viele Menschen von den Masken selbst ausgeht, dass die Corona-Grippe bereits endemisch ist und auch die letzten Maskenverpflichtungen demnächst fallen werden.

Wie will sie verhindern, dass Menschen die nutzlosen Masken bspw. im Nahverkehr nicht mehr tragen? Spätestens zum jetzigen Zeitpunkt gibt es das Problem, das ihr so präsent erscheint, gar nicht mehr! Ist sie sich bewusst, dass sie selbst mit der Verhängung eines Berufsverbotes hunderte Patienten von Fr. Dr. Jiang gesundheitlich schädigt, da diese auf eine Behandlung durch die ihr vertraute Ärztin verzichten müssen?

Und nicht zuletzt: wo bleibt die Verhältnismäßigkeit, wenn eine Ärztin, die sich dem Wohlergehen ihrer Patienten verpflichtet fühlt zu 2 Jahren 9 Monaten Gefängnis plus sofortigem Berufsverbot verurteilt wird, während Kinderschänder und Vergewaltiger mit 2 Jahren auf Bewährung davonkommen?

In meinen Augen ist dieser Prozess massiv politisch motiviert und soll der Einschüchterung der kritisch- und selbstdenkenden Ärzte dienen. Es geht nicht um das Patientenwohl, sondern darum, dass ein In-Frage-stellen der staatlichen Verordnungen nicht erwünscht ist und sanktioniert wird. Eine Justiz, die so agiert, verliert das Vertrauen der Menschen und delegitimiert sich selbst.

Paradoxerweise bringt der Schlusssatz eines Beitrags des SWR vom 25.11.2022 genau das auf den Punkt: „... ein unüblicher Prozess vor dem AG Weinheim, wo große politische Fragen anhand eines Falls behandelt werden“. Die Bedeutung und Tragweite ihrer kommentierenden Zusammenfassung scheinen die Journalisten des SWR selbst jedoch nicht zu erkennen.

Gastautorin: Dani von der Bergstraße

Anmerkung der Redaktion: in der Zwischenzeit gibt es neue Entwicklungen. Lesen sie bitte hier weiter.

t.me/klartext_rheinmain