oder: Gemeinsame bilaterale Sache mit militanten Ultranationalisten und russischsprachige bzw. -stämmige Ukrainer/innen verachtenden Neofaschisten: Die Verteidigung der 'westlichen Werte' in der Ost- und Südukraine
Allerspätestens und unüberhörbar seit dem 24.02.22, doch faktisch bereits mindestens seit Ende 2013, bezeichnen sowohl die Leitmedien als auch unsere jeweils amtierenden Regierungen sowie die Hochglanz-Intellektuellen dieses Landes Russland und die 'prorussischen Separatisten' als jene Konfliktpartei, die unrechtmäßige, anmaßende oder völkerrechtswidrige Ansprüche, Proklamationen und Aktionen mit entsprechend negativen gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen zu verantworten hat; die Ukraine unter Führung zunächst Turtschynows, dann Poroschenkos und schließlich Selenskyjs hingegen wird dargestellt als ein im besten Sinne demokratisch orientierter und daher westlich ausgerichteter Staat, dessen territoriale Integrität durch russische Expansions- bzw. abenteuerliche Selbstbestimmungs- und Abspaltungsambitionen einiger weltfremder russischstämmiger Ukrainer bedroht wird.
Geht man, zumal auf Grundlage dieses Narrativs, zudem davon aus, die kriegerischen Handlungen [z.B. Beschuss von Städten und Dörfern mit Raketen und Militärflugzeugen, Angriffe von Truppenverbänden auch auf zivile Ziele etc.] hätten erst mit dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ostukraine begonnen, dann drängt sich eine Positionierung für die ja angegriffene Zentralregierung als vermeintliche Gesamtvertretung der Ukraine zunächst gewissermaßen auf. Zu der ultranationalistisch ausgerichteten Führungsriege der Ukraine, zu ihren (para-) militärischen Verbündeten sowie zu deren Verlautbarungen und Operationen seien hier daher einige exemplarische, in den Leitmedien seit Jahren kaum mehr oder überhaupt nicht erwähnte Fakten und Geschehnisse aufgeführt, die sich noch während bzw. in der Folge der sog. 'Maidan-Revolution' ereigneten.
Dem ist vorauszuschicken, dass es ab Ende '13 bei unterschiedlichen Situationen auf dem Maidan sowie in dessen Umfeld zunächst auch zu äußerst harten Einsätzen der Polizeikräfte, vor allem der Spezial-Einheit 'Berkut', kam, die damals noch die Regierung Janukowytsch unterstützten. In der Nacht vom 29. auf den 30.11.13 führte ein solches Vorgehen gar zu etwa 80 z.T. Schwerverletzten unter den zu diesem Zeitpunkt auch in ihrer Gesamtheit wohl noch nicht gewalttätigen Regierungskritikern. Wichtig in diesem Zusammenhang: „Am 14.12.13 stimmte der ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch nach Ermittlungen des Generalstaatsanwalts Wiktor Pschonka der Amtsenthebung des stellvertretenden Chefs des Sicherheitsrates Wolodymyr Siwkowytsch und des Leiters der Kiewer Stadtverwaltung Oleksandr Popow zu [beide bereits damals ehemalige (da nur bis Ende '12) Mitglieder des zu diesem Zeitpunkt noch amtierenden Kabinetts Asarow; Anm. d. Verf.]. Grund sei die "mutmaßliche Verwicklung" in die "Verletzung der Rechte" der Demonstranten auf dem Majdan Nesaleschnosti. In der Nacht zum 30. November 2013 seien Popow und Siwkowytsch im Arbeitszimmer des Polizeichefs von Kiew, Walerij Korjak, gewesen und sollen ihn dazu genötigt haben, gewaltsam gegen die Demonstranten vorzugehen.“ [Quelle]
Dies zeigt Janukowytschs – sicher jedoch zu späte – Bemühungen, der eskalierenden Situation auf dem Maidan entgegenzuwirken und gewalttätige Übergriffe auch vonseiten der Ordnungskräfte zu verhindern. Eine mögliche Rolle der beiden ihrer Ämter enthobenen Herren, über die Wikipedia nichts [Siwkowytsch] bzw. seit diesem Ereignis nichts mehr [Popow] zu berichten weiß, als mögliche initiale 'Brandbeschleuniger' im Prozess der Maidan-Revolution bleibt zwar im Dunkeln; Tatsache ist jedoch, dass die Härte der Auseinandersetzungen ausgerechnet am direkt darauf folgenden Tag, dem 01.12.13, schlagartig zunahm und von da an immer mehr von paramilitärischen Gruppen innerhalb der Regierungsgegner ausging; Näheres dazu noch in diesem Teil.
Interessant in diesem Zusammenhang ist allerdings noch, was in Wikipedia über den erwähnten Wiktor Pschonka zu erfahren ist, dessen Ermittlungen die oben erwähnten Amtsenthebungen erst ermöglichten: „Am 22. Februar 2014 … wurde [Pschonka] durch einen Beschluss des Parlaments mit der Begründung, seine Arbeit als Generalstaatsanwalt habe „zu massiven Verletzungen der verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten der Bürger und zu hunderten Verletzten und Toten geführt“, von seinem Amt entlassen. … Anfang März ließen die Europäische Union und Kanada Pschonkas Konten und Vermögenswerte einfrieren. … Am 28. April verkündete der Innenminister Arsen Awakow, dass Pschonka auf die internationale Fahndungsliste gesetzt wurde.“ [Quelle] | Also eben jener Generalstaatsanwalt, der sich kaum drei Monate zuvor noch für die Aufklärung bzgl. der „Verletzung der Rechte der Demonstranten auf dem Majdan“ eingesetzt hatte, wird direkt am Tag des endgültigen Umbruchs im Kiewer Parlament seines Amtes enthoben – und seitdem auch von westlichen Institutionen zunehmend verfolgt –, weil er durch seine Tätigkeit „hunderte Verletzte und Tote“ zu verantworten habe. Welche Frage drängt sich hier auf?
Ferner muss bei der Einschätzung der Konfliktparteien und deren jeweiliger Verantwortung für den erst nach dem Machtwechsel im Februar '14 in den östlichen und südlichen Landesteilen ausbrechenden Bürgerkrieg klar unterschieden werden zwischen dem bis zum Schluss um seine Macht kämpfenden, unter Korruptionsverdacht stehenden und aufgrund der umstrittenen Entscheidung gegen das EU-Assoziierungsabkommen vehement kritisierten und angegriffenen Machtapparat einerseits und jenen ukrainischen Bevölkerungsteilen andererseits, die bereits wenig später, unmittelbar nach dem Regierungswechsel, in den ukrainischen Leitmedien als Separatisten oder gar Terroristen kriminalisiert wurden und gegen die bereits am 14.04.14 hochoffiziell die sog. 'Anti-Terror-Operation' ausgerufen wurde.
„Eine im November 2013 vom Kiewer Internationalen Institut für Soziologie (KIIS) durchgeführte Umfrage zeigt, dass das Land fast genau "50/50" zwischen den Befürwortern eines Abkommens mit der Europäischen Union und den Befürwortern einer Zollunion mit Russland geteilt war. Im Süden und Osten der Ukraine war die Industrie stark mit Russland verbunden, und die Arbeitnehmer befürchteten, dass ein Abkommen ohne Russland ihre Arbeitsplätze vernichten würde.“ [Quelle | 01.08.22]
18.02.14: Überfall z.T. bewaffneter, rechtsextremer Regierungsgegner auf das Lager des 'Anti-Maidan' im Mariinsky-Park, Kiew, in dem sich ca. 500 Gegner der Putschisten, zumeist Krim-Bewohner, friedlich versammelt hatten: 6 bis 9 Tote aufseiten des Anti-Maidan, viele Verletzte [Doku | 05.04.22 | ab 8:00] | 8 Busse mit ca. 400 Menschen verlassen daraufhin die Hauptstadt Richtung Krim | Bewaffnete Putschisten stoppen sie nahe der Stadt Korsun mit einer Straßensperre, setzen alle Busse in Brand, schlagen mit Metallstangen auf die fliehenden Passagiere ein, zünden einige an oder erschießen sie: ca. 25 Tote, viele Verletzte [a. a. O. (Doku: Leben und Sterben im Donbass | ab 9:15)] | Weitere von Kiew aus in andere Richtungen gestartete Busse mit Anti-Maidan-Anhängern werden ebenfalls gestoppt und deren Insassen misshandelt |
20.02.14: Bis heute nicht enttarnte Scharfschützen erschießen sowohl oppositionelle Demonstranten als auch Polizisten auf dem Maidan, Kiew, vor allem von dem 16-stöckigen Hotelgebäude 'Ukrajina' aus, das sich zu diesem Zeitpunkt bereits in der Hand oppositioneller, also prowestlicher Kräfte befindet: mindestens 48 Tote allein an diesem Tag der 'Maidan-Revolution', sehr viele Verletzte [ARD-Mittagsmagazin | 10.04.14] | [Tagesspiegel | 10.04.14] | [Doku: Lauffeuer | 13.05.15 | ab 31:28]
22./23.02.14: Machtwechsel in Kiew nach der Flucht Präsident Wiktor Janukowytschs aus Kiew in der Nacht vom 21. auf den 22.02. | Im Zuge der sich unmittelbar anschließenden Machtübernahme zunächst durch Oleksandr Turtschynow und am 07.06.14 schließlich durch Petro Poroschenko stellt die ultranationalistische Partei 'Swoboda' mehrere Regierungsmitglieder, darunter den Vizechef der Regierung, Witalij Jarema, und den Generalstaatsanwalt Oleh Machnizkyj, später abgelöst durch Jarema | Der Neonazi Dmitrij Jarosch, Anhänger des ukrainischen Ultranationalisten Stepan Bandera und Chef des 'Rechten Sektors', dem vor allem Mitglieder neonazistischer Vereinigungen angehören, wird zunächst Vizechef des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates und ab April '15 Berater des Generalstabs der Ukrainischen Streitkräfte – in Vermittlerfunktion zwischen den 'Freiwilligenbataillonen' und dem Generalstab | Chef des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates wird das Swoboda-Gründungsmitglied Andrej Parubij, einer der sog. Maidanführer, der zwischen April '16 und August '19 sogar als ukrainischer Parlamentspräsident amtiert | Parteichef Oleh Tjahnybok fällt bereits 2004 durch antisemitische und Russlandfeindliche Äußerungen auf [NDR | inkl. Bericht über Oleh Tjahnybok und die von ihm gegründete Partei 'Swoboda' | 06.03.14 | ab 0:42 bzw. 4:40]
25.02.14: Das ukrainische Parlament beschließt die Aufhebung des Sprachgesetzes vom August '12, womit die Förderung aller Minderheitensprachen, darunter Russisch, eingestellt und Ukrainisch als nunmehr einzige Amtssprache etabliert werden soll | Die Unruhen im Osten des Landes verschärfen sich dadurch unmittelbar weiter, selbst nachdem Übergangspräsident Turtschynow deshalb ein Veto einlegt, wodurch das Gesetz zunächst noch in Kraft bleibt [TAZ | 27.02.14] | 2019 wird es kurz nach der Abwahl Poroschenkos endgültig abgeschafft
26.02.14: Anti-Maidan-Anhänger, darunter viele Jugendliche, errichten auf dem Kulikow-Feld vor dem Gewerkschaftshaus, Odessa, ein Protestcamp gegen die Kiewer Zentralregierung |
Am 01.03.14 schildert die Wirtschaftswissenschaftlerin Natalija Witrenko, Vorsitzende der 'progressiven sozialistischen Partei der Ukraine', in einem viel zu wenig beachteten Vortrag beim Schiller-Institut ihre Sicht auf die Begleitumstände jenes Machtwechsels in Kiew: So habe es keinen Volksaufstand zu Gunsten des Assoziierungsabkommens mit der EU gegeben, vielmehr sei die überwiegende Mehrheit für eine Zollunion mit Russland gewesen. [Schiller-Institut: Pressekonferenz u. a. mit Natalija Witrenko: Putsch in der Ukraine ist eine Gefahr für die Sicherheit Europas | 05.03.14 | ab 2:36] | Am 01.12.13, also bereits einen Tag nach dem überharten Einsatz der sog. Berkut-Einheit gegen unbewaffnete Janukowytsch-Gegner, hätten schwer bewaffnete, neonazistische Hundertschaften auf dem Maidan Stellung bezogen und von da an das Ziel eines gewaltsamen Regime Changes verfolgt. Eben jene paramilitärischen Verbände seien von den EU-Institutionen und den westlichen Medien immer wieder fälschlich als „friedliche Demonstranten“ bezeichnet worden, obwohl sie ganz offen rassistische Zeichen [z.B. die Zahl 88, die für 'Heil Hitler' steht] und Fahnen mit sich führten, was Witrenko anhand von Aufnahmen belegt. [a. a. O. (Schiller-Institut: Pressekonf. | ab 8:39)] | So war die in den Euro-Maidan stark involvierte Partei 'Swoboda' noch 2012 selbst vom EU-Parlament als neonazistisch beurteilt worden. [a. a. O. (Schiller-Institut: Pressekonf. | ab 13:21)] | Sprüche wie „Ruhm der Nation“, „Tod den Feinden“, „Ukraine über alles“, „Schneidet den Russen die Kehle durch“ und „Hängt die Kommunisten auf“ seien in derlei Kreisen an der Tagesordnung. [a. a. O. (Schiller-Institut: Pressekonf. | ab 16:29)] | Bereits am 25.01.14 hatte Witrenko zusammen mit 26 weiteren Persönlichkeiten und Organisationen eindringlich an die UN, die EU und die USA appelliert, dass „ein Bürgerkrieg und Putsch in der Ukraine“ sowie die Gefahr einer sich daraus möglicherweise entwickelnden strategischen Konfrontation mit Russland unbedingt gestoppt werden müssten. |
18.03.14: Eingliederung der Krim in die Russische Föderation durch Russland, von der ukrainischen Regierung, westlichen Politikern und Massenmedien als 'Annexion' bezeichnet | Dazu noch einmal Jacques Baud, u.a. Ex-NATO-Mitarbeiter: „Das westliche Narrativ einer russischen Intervention in der Ukraine hat sich durchgesetzt, obwohl es nie bewiesen wurde. Seit 2014 habe ich keinen Geheimdienstler getroffen, der eine russische Militärpräsenz im Donbass bestätigen konnte. Vielmehr wurde die Krim zum wichtigsten "Beweis" für eine russische "Intervention". Natürlich ignorieren westliche Historiker geflissentlich, dass die Krim im Januar 1991 durch ein Referendum von der Ukraine abgetrennt wurde, sechs Monate vor der ukrainischen Unabhängigkeit und unter sowjetischer Herrschaft. Tatsächlich war es die Ukraine, die die Krim 1995 illegal annektierte. Dennoch haben die westlichen Länder Russland dafür sanktioniert …“ [Jacques Baud: Interview zum Militärkonflikt in der Ukraine | 01.05.22]
02.05.14: Angriffe von z.T. mit Beilen, Eisenstangen, Lärmgranaten und Schusswaffen bewaffneten Mitgliedern des Rechten Sektors, Maidan-Aktivisten [u.a. die 'Maidan-Hundertschaften'] und Fußball-Hooligans auf Anti-Maidan-Demonstranten auf dem Griechischen Platz und in dessen Umfeld, Odessa, bei denen die Polizei Schlimmstes noch verhindern kann; dennoch viele Verletzte | etwa zur selben Zeit auf der nahegelegenen Derybasivska Straße bürgerkriegshafte, aktiv und mit hoher Gewaltbereitschaft fast ausschließlich von den auch zahlenmäßig insgesamt etwa vierfach überlegenen Maidan-Anhängern ausgehende Zusammenstöße: erneut viele Verletzte, ferner 6 Tote, davon zwei auch unter den prowestlichen Demonstranten, durch gezielte Todesschüsse von Unbekannten [ähnlicher Vorgang wie auf dem Maidan am 20.02.14] [a. a. O. (Doku: Lauffeuer | ab 10:14)] | In direkter Folge ereignet sich bis in die Nacht hinein im und unmittelbar vor dem Gewerkschaftshaus, Odessa, ein Massaker an prorussischen Demonstranten [darunter viele Frauen, Jugendliche und Rentner] durch stundenlange Belagerung, Brandstiftung, Gasattacken, erzwungene Fenstersprünge, Fensterwürfe, Erschießung und Totschlag seitens militanter Ultranationalisten unter Duldung fast durchgängig anwesender Polizeikräfte: offiziell 42, nach Angaben der Opferfamilien 56 Tote, 55 Vermisste, viele Schwerverletzte [a. a. O. (Doku: Lauffeuer | ab 10:38)] | [Doku: Ukrainian Agony | 17.12.15 | ab 25:57] | [WOZ | 14.08.14]] |
In den darauffolgenden Tagen kommt es zu Morddrohungen gegen Anti-Maidan-Anhänger und Zeugen dieser Ereignisse in Odessa | Weitere entsprechend motivierte Tötungen in dieser Stadt oder deren Umfeld können nicht ausgeschlossen werden [Rubikon | 06.12.19)] | [a. a. O. (Doku: Lauffeuer | ab 23:35 bzw. 24:26)] |
09.05.14: In Mariupol bringt das faschistische Asow-Bataillon, mindestens mit Duldung der Regierung Jazenjuk, mehrere Dutzend Menschen um, darunter einige Polizisten, die sich bei der Stürmung eines Polizeireviers weigern, eine zum Tag des russischen Sieges im 'großen vaterländischen Krieg' stattfindende, friedliche Demonstration aufzulösen | Auch in Cherson werden Menschen von prowestlichen Milizen auf offener Straße getötet [a. a. O. (Doku: Leben und Sterben im Donbass | ab 56:30 (Szenen unterlegt u.a. mit einer Rede des kommunistischen Abgeordneten Petro Symonenko in der Werchowna Rada (Einkammersystem), Kiew, mit anschließender Gegenrede des ihm das Wort entziehenden Parlamentspräsidenten der Ukraine, Oleksandr Turtschynow, Partei 'Vaterland' | Namensgeberin u. damalige Vorsitzende: Julija Tymoschenko)] |
11.05.14: Am Tag des Referendums in der Oblast Donezk zu deren künftiger staatsrechtlicher Verfasstheit blockiert das maskierte „Dnepr-Bataillon“ mit massiver Waffengewalt das örtliche Abstimmungslokal im ca. 60 km nordwestlich von Donezk gelegenen Krasnoarmeysk, verletzt mindestens einen Mann schwer, der sich vom Betreten des Abstimmungslokals durch die Drohungen der Paramilitärs etwa 20 Sekunden lang nicht abbringen lässt, und tötet mindestens einen weiteren Menschen [a. a. O. (Doku: Leben und Sterben im Donbass | ab 1:03:21)] |
25.05.14: „22:20: Die ukrainische Regierung will den Militäreinsatz gegen prorussische Separatisten verstärken. Während des Wahltages [zur vorgezogenen Präsidentschaftswahl in der Ukraine an diesem Tag; Anm. des Verf.] sei der "Anti-Terror-Einsatz" unterbrochen worden, um die Stimmabgabe nicht zu gefährden, sagte Vizeregierungschef Witalij Jarema. Nun werde die aktive Phase fortgesetzt. Örtliche Medien berichteten, dass es am Abend am Stadtrand von Slowjansk zu heftigen Gefechten gekommen sei. Das Militär habe die Stadt erneut unter Artilleriebeschuss genommen.“ [ZEIT | 25./26.05.14] | Dieser Auszug aus dem 'Live-Ticker' der Zeit belegt unzweifelhaft, dass das ukrainische Militär die Ortschaft Slowjansk, gelegen 70 km nördlich der Stadt Donezk, sowohl vor als auch nach der Wahl direkt beschossen und diesen "Anti-Terror-Einsatz" lediglich für die Wahl „unterbrochen hatte“; übertragen wir dieses Szenario einmal kurz auf Italien oder Holland; was fällt einem um Objektivität bemühten Beobachter hierbei auf? |
02.06.14: Luftangriff auf das Zentrum von Luhansk: mehrere Tote und schwerverletzte Zivilisten, Schäden an Wohnhäusern [a. a. O. (Doku: Leben und Sterben im Donbass | ab 1:09:38)] | Mitte 06.14: „Nach Angaben von SOS-Mitarbeitern vor Ort haben sich die Kämpfe zwischen pro-russischen Milizen und ukrainischen Truppen in den vergangenen Tagen immer stärker in die Luhansker Innenstadt verlagert. …“ [SOS-Kinderdörfer | 19.06.14] | Auch diese Kämpfe finden auf dem Gebiet der 'abtrünnigen' Stadt, also in zivilen Bereichen statt. Wenn man jetzt noch wüsste, wer hier wen angegriffen hat… ca. 08.14: Luftangriff auf das Zentrum von Donezk: mehrere Tote und schwerverletzte Zivilisten, Schäden an Wohnhäusern [a. a. O. (Doku: Ukrainian Agony | ab 1:09:54 bzw. 1:19:19)] | ca. 09.14: Poroschenko hält in der Werchowna Rada eine entlarvende Rede zur Diskriminierung der Bewohner der 'abtrünnigen' Gebiete durch Gesetze und Verordnungen seiner Regierung [a. a. O. (Doku: Ukrainian Agony | ab 1:25:08)] | „In den Jahren 2014-2015 führte die Ukraine, die von den NATO-Militärs schlecht beraten wurde, einen Krieg, der nur zu ihrer Niederlage führen konnte: Sie betrachtete die Bevölkerung im Donbass und auf der Krim als feindliche ausländische Kräfte und unternahm keinen Versuch, die "Herzen und Köpfe" der Autonomisten zu gewinnen. Stattdessen bestand ihre Strategie darin, die Bevölkerung noch weiter zu bestrafen. Bankdienstleistungen wurden eingestellt, die wirtschaftlichen Beziehungen zu den autonomen Regionen wurden einfach gekappt, und die Krim erhielt kein Trinkwasser mehr. Deshalb gibt es so viele zivile Opfer im Donbass, und deshalb steht die russische Bevölkerung auch heute noch mehrheitlich hinter ihrer Regierung. Die 14 000 Opfer des Konflikts werden in der Regel den "russischen Invasoren" und den so genannten "Separatisten" zugeschrieben. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind jedoch mehr als 80 % der zivilen Opfer auf ukrainischen Beschuss zurückzuführen.“ [a. a. O. (Jacques Baud: Die verborgene Wahrheit über den Krieg in der Ukraine (01.08.22)] |
Mitte April 2014 bis 24.02.22: nahezu kontinuierlicher Beschuss von Dörfern und Städten im Donbass in wechselnder Intensität mit ca. 14.000 meist zivilen Todesopfern – zum größten Teil aufseiten der Separatisten [Vortrag: Lühr Henken: Der Ukraine-Krieg – eine immense Herausforderung für die Friedensbewegung | 05.04.22 | ab 11:10] |
30.11.18: Ein im Kampf „in der russischsprachigen Ost-Ukraine gegen die Separatisten“ erfahrener Ausbilder erklärt 8- bis 18-jährigen Kindern und Jugendlichen, die in einem ukrainischen „Sommerlager“ an Kalaschnikows den Feindeinsatz trainieren: „Wir zielen niemals auf Menschen. Nie. Aber Separatisten und aus Moskau kommende Besatzer betrachten wir nicht als Menschen. Deswegen könnt und sollt ihr auf sie schießen.“ [Euronews: Ukrainische Ferienlager: "Schießt auf alle Separatisten" | 1:36 | 30.11.18 | ab 0:21] |
Diese Auflistung belegter Ereignisse erhebt mitnichten Anspruch auf Vollständigkeit, was die für den weiteren Gang der ukrainischen Geschichte wichtigen Begebenheiten bzw. entscheidenden Wendepunkte seit dem 'Euro-Maidan' betrifft; insofern kann und soll sie auch nicht insinuieren, vonseiten der abtrünnigen Oblaste seien niemals ethisch ähnlich verwerfliche Erklärungen oder Aktionen erfolgt. Was sich nach Sichtung der vier hier genannten Dokumentarfilme sowie zahlreicher weiterer – sowohl alternativer als auch allerdings bereits älterer leitmedialer – Quellen jedoch klar abzeichnet: Ich konnte keinerlei Tatbestände ermitteln, die ein auch nur im Ansatz vergleichbares Maß an Unrecht begründen, das von Bewohnern dieser Gebiete verursacht worden wäre. Ferner fanden vonseiten des Anti-Maidan-Lagers bzw. der Gegner des Assoziierungsabkommens mit der EU, zumindest bis zum 24.02.22, niemals Angriffe auf prowestliche Gebiete oder die entsprechende Zivilbevölkerung statt, die durch unabhängige Quellen dokumentiert wären, mit der möglichen Ausnahme einzelner Gegenmaßnahmen bzw. Notwehrreaktionen, die als Reaktion auf (para-) militärische Angriffe durch prowestliche Verbände auf 'Separatistengebiete' erfolgten. Andererseits ist belegt, dass am 02.05.18, also am 4. Jahrestag des Massakers von Odessa, eine größere Gruppe von ukrainischen Ultranationalisten eine Trauer- und Gedenkfeier auf dem Kulikow-Feld massiv gestört und die Trauergemeinde verächtlich behandelt hat; diese bestand aus Angehörigen und Freunden der Opfer sowie aus Gegnern der Regierung Poroschenko, denen es in den Jahren 2015 bis 2018 an diesem Datum verwehrt worden war, des Massakers auf eben diesem Platz zu gedenken. [Doku: Remember Odessa | 02.05.21 | ab 17:05)] | Am selben Tag und Ort gibt einer der Repräsentanten jener „ukrainischen Patrioten“ eine völlig ins Gegenteil verzerrte, unwahre Version der Ereignisse am 02.05.14 wieder – die allerdings der entsprechenden massenmedialen Darstellung in der Ukraine sowie in vielen westlichen Ländern entspricht. [a. a. O. (Doku: Remember Odessa | ab 23:15)] |
Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass bereits diese Auflistung das durch deutsche Leitmedien und Regierungen vermittelte Narrativ gründlich widerlegt, der gewalttätige, z.T. paramilitärische [und später in die ukrainische Armee eingegliederte] Teil des Euro-Maidan sowie die durch dessen Putsch im Februar '14 an die Macht gekommenen politischen Kräfte seien auch nur ansatzweise demokratischer bzw. rechtsstaatlicher – und nicht vielmehr ultranationalistischer, rechtsextremer und, mindestens teilweise, Menschenleben verachtender – Gesinnung.
Allein dieses Fazit sowie der wahrlich seltsame Umstand, dass viele Mitmenschen 'bis dato kaum etwas Derartiges gehört' haben, sollten zur kritischen Überprüfung solcher diesen Konflikt betreffender Standpunkte führen, die diese Sachverhalte bisher nicht berücksichtigten. Fragen Sie sich beispielsweise, was Sie davon halten würden, wenn Berlin mit militärischen Maßnahmen sowie wenigstens unter Duldung gar paramilitärischer Aktionen gegen die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein vorginge, weil diese autonome Gebiete innerhalb der BRD bar jeglicher 'terroristischer Aktionen' eingefordert hätte – und es sei während jahrelangen Beschusses maßgeblich dänischer Wohngebiete gar zu Todesopfern gekommen. Die Dänen sind alles andere als eine Supermacht, aber möglicherweise wären sie mit dieser Art der ihre Ethnie betreffenden 'Konfliktlösung' dennoch nicht wirklich einverstanden gewesen.
Ende Teil II. Bündnisebene
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Gastautor: Jan Veil, Frankfurt/Main | 09.01.23